Ausgesperrt
Traiskirchen wird wie militärisches Sperrgebiet abgeschirmt. Wie Securityleute die Menschen bewachen ist ein Geheimnis.
Text: Konrad Hofer
"Heute hat ein Wachmann seinen Hund auf ein Kind gehetzt. Das Kind, das im Garten spielte, erschrak, schrie und weinte. Der Wachmann grinste, bis er das bellende Tier zurückpfiff.“ Diese Episode erzählten dem Autor zwei Bewohner des Lagers Traiskirchen, als er für sein Buch „Gestrandet. Aus dem Alltag von AsylwerberInnen“ (2006) recherchierte. Wachorgane haben bei AsylwerberInnen definitiv keinen guten Ruf. „Die sind doch bescheuert“, hört man öfters.
Was aber denken Security-Leute, die für gewöhnlich vor Discotheken, in Einkaufstraßen oder als Gebäudeschützer für Ruhe und Ordnung sorgen, wenn sie sich plötzlich in einem Flüchtlingslager mit teils traumatisierten Menschen wiederfinden? Ein, zwei Tage einen Sicherheitsmann in Traiskirchen zu begleiten sollte Einblicke verschaffen. Schon der erste Anruf beim Betriebsrat der Bewachungsfirma des Lagers war positiv, er sagte seine volle Unterstützung zu. Leider erkrankte der Mann vor unserem Gesprächstermin. Er wies aber vorher noch darauf hin, dass das Innenministerium eine Erlaubnis erteilen müsse.
Zuständig ist dafür Franz Schabhüttl, ehemaliger Polizist und heute Lagerleiter von Traiskirchen. Der Beamte war schnell kontaktiert, seine Antwort eindeutig: Schabhüttl wünschte „viel Erfolg und Schaffenskraft“ – und versagte den Zutritt. Hatte der oberste Wächter Traiskirchens Bedenken wegen zuviel „Schnüffelei“? Oder wegen des Vergewaltigungsprozesses im Jänner vor vier Jahren? Der Security-Mann wurde damals freigesprochen.
Militärisches Sperrgebiet?
Vielleicht ließ sich ein Gespräch mit den Sicherheitsleuten in Traiskirchen selbst anbahnen? Vor zwei Jahren war es trotz Betretungsverbots noch möglich, an zwei Stellen über die Mauer zu springen. Mittlerweile hat Traiskirchen alle Attribute einer Hochsicherheitszone. Jeder Meter wird mit Kameras überwacht, zusätzlich patrouillieren Wachorgane mit Hunden entlang des weitläufigen Areals. Selbst das Fotografieren von außerhalb des Geländes ist verboten. Gleich zweimal drohten Lager-Bewacher dem Fotografen laut und überaus heftig.
Ein Hauch „kommunistischer Verhältnisse“ kam auf. Als meist militärische Objekte unter Fotografieverbot gestellt und ein Zuwiderhandeln dazu führen konnte, dass das „feindliche Fotomaterial“ des Sperrgebiets konfisziert wurde. Ist das der „sensible“ Umgang, von dem Schabhüttl spricht? Nicht wenige der interviewten Flüchtlinge gaben als Ersteindruck von Österreich an: „Wir leben hier in einem offenen Gefängnis.“
Der Sicherheitsaufwand signalisiere: „Wir sind hier nicht willkommen, wir werden als Gefahr gesehen, der Kontakt zur österreichischen Bevölkerung ist nicht erwünscht.“ Wenn die Neuankömmlinge das Lager für einen kurzen Spaziergang Richtung Bahnhof verlassen, passieren sie zunächst die örtliche Polizeistation. Später treffen sie auf Uniformierte, die vor der Volksschule postiert sind. Überraschend viele Eltern warten dort zum Unterrichtsschluss vor den Toren der Volksschule, um ihre Schützlinge sicher nach Hause zu begleiten. Am ohnehin mit Sicherheitsorganen besetzten Bahnhof schließlich sind gleich mehrere Überwachungskameras installiert.
Es stellt sich die Frage: Wozu dieser teure Sicherheitsaufwand? Warum ist es nicht gestattet, die BewohnerInnen im Lager zu besuchen? Jedes Gefängnis kennt Besuchsregelungen, nur für AsylwerberInnen in einem Erstaufnahmezentrum sollte es absolut keinen Zutritt geben?
Lage entspannt, Ordnung strikt.
Dabei könnten die Beschäftigten der Bewachungsfirma jetzt weit entspannter Auskunft über ihren Arbeitsalltag als noch vor zwei Jahren geben. Von den ehemals rund 1.500 AsylwerberInnen, die sich dort monatelang auf engstem Raum aufgehalten haben, sind nunmehr gerade einmal 700 Bewohnerinnen und Bewohner da. Schwerwiegende Konflikte sind kein großes Thema mehr. Die Aufenthaltsdauer hat sich zusätzlich drastisch verkürzt. Nach der positiven Abklärung wird den Neuankömmlingen nach wenigen Wochen eine Unterkunft in einem der Bundesländer zugewiesen, wo sie in die Grundversorgung des jeweiligen Bundeslandes übernommen werden.
Das Wachpersonal besetzt rund um die Uhr die Portierloge. Ein Kartenscanner registriert jede Person, die ein- und ausgeht. Das Betreten und Verlassen des Lagers ist den BewohnerInnen zwischen 20 und 7 Uhr früh nur mit Sondergenehmigung erlaubt. Einkaufstaschen werden kontrolliert, Alkoholika konfisziert, ebenso Lebensmittel, die gekocht werden müssen. Dafür gibt es die Großküche. Sicherheitskräfte entdecken manchmal bei ihren Streifzügen durch das Gelände Flaschen mit Alkohol. Sie wurden durch den Zaun geschoben, um der Kontrolle beim Tor zu entgehen. „Die Hunde erkennen die Sachen am Geruch, dadurch werden sie schnell gefunden“, erzählt ein Bewohner.
Spannungen gibt es nach wie vor zwischen verschiedenen Staatsangehörigen und Religionen. „80 bis 90 Prozent der Bewohner sind Muslime“, erzählt ein christlicher Flüchtling, er bleibe auf Distanz. Wie die Security Konflikte schlichtet, soll also Geheimnis bleiben. Flüchtlinge, die nach dem „Sturm der Flucht Vertrauen gewinnen sollen“ (Schabhüttl), zu betreuen oder auch zu „bewachen“ ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Selbst diplomierte SozialarbeiterInnen stoßen dabei leicht an die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Wie geht es erst Wachorganen ohne entsprechende Ausbildung? Ist ein Gespräch mit ihnen deshalb „Verschlussakte“?
Mitarbeit: Andreas Bachmann