Andere über SOS Mitmensch
Noch nie war die Welt so schnelllebig wie heute. Gestern noch aktuell für Print und TV, heute schon ein alter Hut! Und die Menschen werden vergessen, und was dann? Je schneller die Information beim Leser, Hörer, Seher ankommt, desto schneller ist sie auch wieder aus den Gehirnen draußen.
Krisen in Burma oder Nigeria finden trotzdem statt, auch wenn österreichische Medien nicht mehr darüber berichten. Aber das ist kein Vorwurf an die Chefredakteure oder Herausgeber – es ist ein Vorwurf an mich selbst. Nachrichten erschöpfen sich, wenn sie sich nicht steigern: mehr Demonstranten, mehr Flüchtlinge, mehr Tote! Arigona Zogaj ist da viel zu unbedeutend, um über Wochen die Zeitungen zu füllen. Und das ist auch gut so: Sie ist ein junges Mädchen aus Oberösterreich. Mit den Problemen, Ängsten und Sorgen einer 15-Jährigen.
Aber sie ist auch ein Mädchen, das ohne Zutun in eine Situation gekommen ist, die für Herrn und Frau Österreicher nur schwer nachzuvollziehen ist: Ihr halbes Leben hier zu verbringen und dann zurückgeschickt zu werden, in ein Land, zu dem ihr mittlerweile jeder persönliche Bezug, jede Perspektive fehlt. Wo sie keinen Freundeskreis hat. Was geht uns mehr an? Was ist wichtiger? Fragen, die ich nicht zulasse.
Es gibt kein entweder – oder, es gibt kein arm oder ärmer. Ich habe mir viele untergriffige Mails gefallen lassen müssen, als ich mit meiner „Patenschaft“ für Arigona an die Öffentlichkeit gegangen bin: von „fahr‘ doch gleich mit in den Kosovo“ bis „in Österreich gibt’s genug Arme, denen keiner hilft“.
Im Grunde nur ein Zeichen unserer Neid- und Geizgesellschaft, geschürt von rechten Populisten und findigen Marketing-Spezialisten. Ich habe mit meiner Entscheidung, als Pate für Arigona aufzutreten und für ihre Ausbildung in Österreich zu garantieren natürlich diesem Mädchen helfen wollen. Gleichzeitig versuchte ich aber auch, die Unmenschlichkeit unserer Flüchtlingspolitik aufzuzeigen. Neben der auseinander gerissenen Familie von Arigona gibt es in Österreich mehr als 1.500 Familien, denen die Abschiebung droht. Die in Österreich integriert sind. Familien mit Kindern, die keine andere Heimat kennen als die unsere.
Die Geschichte hat uns gelehrt, dass Ungerechtigkeiten meist nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn wirtschaftliche Interessen vorhanden sind. Tibet mag das Dach der Welt sein, am Fundament wird aber brutal ethnisch gesäubert. Solange sich keine westliche Nation als Führsprecherin findet, die ihre guten wirtschaftlichen Beziehungen mit China aufs Spiel zu setzen wagt, wird sich nachhaltig wenig ändern.
Die Globalisierung ist heute längst Realität – jeder Punkt der Erde ist in 24 Stunden erreichbar, so manche Ware im Supermarkt legt zig-tausende Kilometer zurück. Trotzdem grenzen wir Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderem Reisepass aus. Ich bin überzeugt, dass nur ein Miteinander die Probleme der Welt lösen lässt. Und das beginnt bereits mit dem Nachbarn. Arigona ist unsere Nachbarin!
ZUR PERSON
Alfons Haider ist Schauspieler, Fernsehmoderator, Sänger, Musical- Star, Kabarettist und Entertainer. Ende des vergangenen Jahres übernahm er die „Patenschaft“ von Arigona Zogaj, um „ein Zeichen“ zu setzen. Arigona soll, – obwohl seit vielen Jahren in Österreich lebend – wie ihre gesamte Familie als Flüchtling in den Kosovo abgeschoben werden.