Melken für Österreich
In der IG-Milch, die im ganzen Land mit ihren Plastikkühen für "A Faire Milch" wirbt, hat sich eine höcht sonderbare Allianz gebildet. Anhänger der FPÖ und der Grünen treten dort gegen den schwarzen Bauernbund an.
Text: Hammer, Landsgesell. Bild: Bernhard Kummer
Nationale Logik: Milch aus Vorarlberg ist "näher" an Wien als Milch aus Tsechechien.
Schuld an den steigenden Milchpreisen hat China. Weil dort die Nachfrage nach Milchpulver wächst, sieht FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer in Österreich die Preise explodieren. Der Globalisierung müsse freilich eine verantwortungsvolle, nationale Agrarpolitik entgegengehalten werden, der Bauernbund tue das aber nicht. Schon weiß Hofer Abhilfe: bei der IG Milch, in der sich „immer mehr verzweifelte Bauern“ organisieren und nun ihre Milch selbst vermarkten.
Die Front gegen die traditionell ÖVP-dominierte Bauernvertretung ist dabei höchst interessant. Blaue und grüne MilchvertreterInnen arbeiten hier an einer gemeinsamen Politik. Der Direktor des Österreichischen Bauernbundes, Fritz Kaltenegger, sieht bereits "eine unheilige grün-blaue Allianz" im Agrarbereich dräuen. Tatsächlich gibt es aus diesen Lagern auffällige Unterstützung: Salzburgs Obmann der Freiheitlichen Bauernschaft Alois Nußbaumer bezeichnete unlängst den von der IG-Milch angedachten Lieferboykott als einzigen richtigen Weg in der Milchpolitik. Aber auch an der Basis werden die gemeinsamen Schnittmengen wahrgenommen: auf der Online-Plattform www.landwirt.com macht etwa ein Poster seinem Ärger über „primitive“ Argumentationsmuster von IG-Milch-Vertretern Luft, die ganz „an die FPÖ erinnern“. Was also ist dran an der erstaunlichen Allianz der IG-Milch, die mit „A faire Milch“ wirbt und zugleich die Frage aufwirft, ob ein fairer Milchpreis ohne Patriotismus überhaupt denkbar ist.
Blau-grüner Milchdeal
Wer die Milch der rot-weiß-roten Faironika der IG-Milch kauft, unterstützt heimische Bauern und Bäuerinnen mit zehn Cent pro Liter Milch. Laut Ernst Halbmayr von A Faire Milch haben sich an die 1000 Milchbauern und -bäuerinnen in der IG Milch zusammengeschlossen, um bessere Verträge mit den AbnehmerInnen auszuhandeln. Erhältlich ist die Milch nur bei einigen Supermarktketten. Eine der Motivationen der IG Milch, eine neue Marke auf die Beine zu stellen, war, dass sich die Milchbauern durch den schwarzen Bauernbund nicht ausreichend vertreten fühlten. „Der Bauernbund hätte gerne den alleinigen Vertretungsanspruch.“, sagt Halbmayr. Vor allem aber kritisiert er, dass VertreterInnen des Bauernbundes auch Funktionäre der genossenschaftlichen Molkereien sind: „Sobald die dort sitzen, vertreten sie nicht mehr die Interessen der Bauern, sondern jene der Molkereien und deren Interesse ist es, die Milch möglichst billig zu bekommen.“ Markus Habisch vom Bauernbund weist diese Kritik zurück: „Die Genossenschaften gehören den Bauern. Hier wird versucht, einen Keil in die Bauernschaft zu treiben.“ Laut Halbmayr müssten die Bauern 40 Cent pro Kilo Milch von den Molkereien bekommen, um kostendeckend arbeiten zu können. Derzeit sind es 30 Cent.
Die Kritik an der Politik des Bauernbundes und die Unterstützung für A faire Milch führten zu ungewohnten Allianzen. Ausgerechnet FPÖ und Grüne treffen sich hier. Seit Anfang des Jahres treffen grüne und blaue Bauern zum Beispiel in Oberösterreich gemeinsam mit dem Unabhängigen Bauernverband zu so genannten Bauernstammtischen zusammen. Sie finden nicht nur dort auch inhaltlich zueinander: Beide Parteien halten die IG Milch für eine gute Initiative. Und sind sich selbst in anderen landwirtschaftlichen Punkten einig. „Etwa bei der Gentechnik oder der Biolandwirtschaft“, sagt der freiheitliche Landwirtschaftssprecher Karlheinz Klement. Der grüne Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber sieht darin kein Problem. „Das ist auch bei der Anti-AKW-Politik der Fall“, so Pirklhuber. Laut Halbmayr verkauft die Initiative mit der originellen Farbenlehre pro Woche 60.000 Liter Faire Milch in Österreich – das macht pro Person einen knappen halben Liter pro Jahr. Die Mehreinnahmen aus der Fairen Milch kommen auf ein Treuhandkonto und werden nach Ablauf des Jahres an jene der 1000 Bauern und Bäuerinnen verteilt, die die Abgabebedingungen eingehalten haben. Halbmayr schätzt, dass dabei etwa 500 Euro pro Betrieb herausschauen.
Milch aus Österreich
Dass der Handel zum Großteil mit österreichischen Produkten versorgt werden sollte, teilt auch Markus Habisch vom Bauernbund. Und obwohl er die Initiative der IG Milch unterstützt, kritisiert er, dass diese auch ans Ausland Milch verkauft. „Hier fehlt es an Produktpatriotismus, obwohl Konsumentenpatriotismus verlangt wird“, so Habisch.
Ernst Halbmayr von A Faire Milch kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Schließlich hätten die Bauern mit A Faire Milch nur einen Kooperations- und keinen Abnahmevertrag. Der Vertrag regle lediglich, dass die Milch gentechnikfrei produziert werden muss, liefern könnten die Bauern dann, an wen sie wollen. Und viele Bauern in Grenzgebieten würden laut Halbmayr ihre Milch über die Grenzen liefern. Das stünde den Bauern auch zu. Immerhin gingen 20 Prozent der österreichischen Milchproduktion ohnehin in den Export und heimische Molkereien würden schließlich auch Milch importieren.
Zur Frage, ob den KonsumentInnen der höhere Ertrag für die Bauern wichtiger sei, oder die Tatsache, dass es sich um heimische Milch handelt, glaubt Halbmayr, dass es eher das höhere Einkommen für die Bauern sei, das die ÖsterreicherInnen gerne mehr bezahlen lässt.
Damit bleibt aber die Frage, warum die faire Milch ausgerechnet mit nationalen Argumenten Politik zu machen versucht. Gerade für die Grünen wäre das naheliegendere Argument doch, den höheren Milchpreis (also mehr Geld für Bauern) mit dem Landschafts- und Umweltschutz zu erklären. Auch der Gedanke der regionalen Produktion unterstützt nicht unbedingt nationale Kategorien: Milch aus Mähren hat nach Wien eindeutig kürzere Lieferwege als etwa aus Vorarlberg. Dass Zweckallianzen aber leicht entgleisen können zeigte sich erst kürzlich, als linke und rechte DemonstrantInnen in Wien das Parlament mit einem rot-weiß-roten Band eingekreist und „eingeschnürt“ haben. Im Fall der IG Milch stellt sich damit die Frage: Muss a faire Milch a patriotische Milch sein?