Die weltliche Seite der Kirche
Wälder, Landwirtschaft, Spitäler, Schulen, eine Bank und ein Pressehaus. Die Kirche mag in gesellschaftspolitischen Fragen an Einfluss verloren haben, doch materiell gesehen ist sie gut aufgestellt. Text: Mark Hammer
Es gibt vermutlich nicht viele Unternehmer, die gleichzeitig Wein keltern, Holzböden herstellen, Gäste in einem Schloss beherbergen und Strom produzieren. Das Stift Admont ist so ein Fall. Es besitzt sechs Wasserkraftwerke, einen Baubetrieb, Gärtnereien, eine Apotheke und Restaurants. Dafür stellt es circa 500 Mitarbeiter an. Der holzverarbeitende Betrieb ist einer der größten Arbeitgeber in der Region.
Christliche und Geldwerte
Die Kirche ist nicht nur spirituelle Anlaufstelle, sie ist auch ein Wirtschaftsfaktor: Sie besitzt Betriebe, vergibt Bauaufträge und veranlagt - wie jede Institution - Geld am Finanzmarkt. Doch ob die Kirche arm oder reich ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. "Die Kirche wird tendenziell ärmer", sagt etwa der Theologe Paul Zulehner. "Die österreichische Kirche ist sicher nicht arm", sagt hingegen seine Kollegin Regina Polak, Institutsvorständin der praktischen Theologie. Dabei gehört der katholischen Kirche hierzulande sogar eine Bank – Schelhammer & Schattera.
Knapp über 85 Prozent an ihr halten die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften, Stifte, Klöster und Diözesen. Die Bank wirbt mit christlichen Werten, ethischem Investment und Nachhaltigkeit. Ein Ethikbeirat, eine Ratingagentur für nachhaltiges Investment und Wirtschaftsprüfer sollen garantieren, dass das Geld mit gutem Gewissen angelegt wird.
Die Bank selbst ist wiederum an anderen Firmen beteiligt – darunter auch an den Casinos Austria, an denen Schelhammer & Schattera circa fünf Prozent hält. Erst vor wenigen Wochen kam die katholische Pax-Bank in Deutschland unfreiwillig in die Medien: Sie hat Fondsgelder bei Rüstungs-, Tabak- und Verhütungsmittelherstellern angelegt – und diese Anteile nach den Medienberichten rasch wieder verkauft. Für Helmut Jonas, den Generaldirektor von Schelhammer & Schaterra ist die Casino-Beteiligung aber kein Widerspruch zu den ethischen Zielen: Immerhin würden die Casinos auf zu hohe Spielverluste mit Restriktionen reagieren.
Laut Erich Leitenberger, Direktor des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit der Erzdiözese Wien, gibt es für Geld, das die Kirche anlegt, präzise Vorschriften über ethisches Investment. Die Kirche investiere eher sicher und daher seien auch die Verluste durch die Finanzkrise minimal. Aber nicht jeder Katholik ist mit dem Anteil der Kirchenbank an den Spielhöllen glücklich. "Mir wäre lieber, es wäre nicht so. Menschen verschulden sich dort und es ist moralisch nicht vertretbar, aus Leid Geld zu verdienen.", sagt Hans Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche".
Bei Medien gut im Geschäft
Da es über den neun Diözesen keine zentrale Stelle gibt, lässt sich nicht sagen, wie viel Land "die Kirche" besitzt oder wie viele Personen sie beschäftigt. Dazu gibt es nur vereinzelt Auskunft. Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft sind vor allem für Klöster und Stifte bedeutend. Sie leben davon und finanzieren so seelsorgerische und soziale Aktivitäten. Die Diözese Graz-Seckau etwa besitzt 10.000 Hektar. Das entspricht circa einem Prozent der steirischen Waldfläche. Aus den hauptsächlich forstwirtschaftlichen Erträgen werden 20 Prozent der Priestergehälter bezahlt. Alleine in der Verwaltung der Erzdiözese Wien arbeiten 1.000 Angestellte; nochmal so viele in den Pfarrgemeinden.
Dazu kommen die Mitarbeiter der Caritas – meist so viele oder mehr wie jene der Diözese – und eine noch größere unbekannte Zahl an ehrenamtlichen Mitarbeitern. Als Arbeitgeber spielt die Kirche vor allem im sozial-karitativen und im Gesundheitsbereich eine Rolle; 15 Prozent der Krankenhäuser etwa werden von der Kirche betrieben.
Turbulenzen löste der Besitz der Kirche in der Vergangenheit aus. Bis zur Regierungszeit Josephs des II., Ende des 18. Jahrhunderts, versorgte sich die Kirche über ihren Grundbesitz weitgehend selbst. Joseph der II. löste eine Reihe an Klöstern, Stiften und Kirchen auf und bildete einen Religionsfonds unter staatlicher Verwaltung, aus dem Klerus und Bauten der Kirche bezahlt wurden.
Die Nationalsozialisten haben den Fonds beschlagnahmt und stattdessen den Kirchenbeitrag eingeführt. Nach 1945 bekam die Kirche ein Zehntel des alten Grundbesitzes zurück. Den Rest behielt der Staat, der dafür jährlich nach wie vor eine Kompensation zahlt.
Auch bei Medien spielen oder spielten Kirchen eine bedeutende Rolle. Ende des 19. Jahrhunderts gründeten Katholiken und Diözesen Pressvereine. "Sie verstanden sich als Gegenpol zur liberalen Wiener Presse, in der extrem kirchenfeindliche Freidenker die öffentliche Meinung dominierten", steht dazu auf der Webseite des Niederösterreichischen Pressehauses. Leitenberger zufolge sind die meisten Vereine verschwunden oder spielen heute nur mehr eine rudimentäre Rolle. Mit zwei Ausnahmen: dem niederösterreichischen Pressehaus und der Styria Media Group.
Das Niederösterreichische Pressehaus gehört zu 54 Prozent der Diözese St. Pölten, weitere 26 Prozent hält der Pressverein der Diözese. Zum Pressehaus gehören unter anderem die Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN), die Burgenländische Volkszeitung und das Fernsehmagazin tele.
Über die Ziele der NÖN heißt es, sie haben "gemäß den Statuten des Pressvereins aus christlichem Geiste zur Information und zur Bildung der Bevölkerung und zur Förderung des Gemeinwohles beizutragen." Die Styria Media Group (Presse, Furche, Kleine Zeitung, Diva, Wiener) gehört der Katholischen Medien Verein Privatstiftung, laut Leitenberger ein säkularer Verein, den Katholiken in eigener Verantwortung tragen. Der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari habe lediglich die Ehrenfunktion des Protektors. Auch von Seiten der Diözese wird betont, dass es keinerlei juristische Verbindung zu Styria gebe.
Imageprobleme
Doch inwieweit beeinflusst die Kirche auch die Politik? „Der direkte Einfluss auf Politik und Wirtschaft ist im Moment eher schwach und im Abnehmen", sagt Zulehner. Der Rechtsphilosoph Richard Potz meint: „Zu Themen des Straßenverkehrs fragt man ÖAMTC und ARBÖ, zu gesellschaftlichen Fragen eben die Kirche". Sie habe ihren zivilgesellschaftlichen Einfluss so wie jede Interessensvertretung auch. Die Trennung von Kirche und Staat ist Potz zufolge in Österreich nicht so stark wie etwa in Frankreich ausgeprägt, wo sie aus allen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen ist und es keinen Religionsunterricht und keine Förderung für Kirchen gibt. Hierzulande zahlt der Staat die Gehälter der Lehrer an konfessionellen Schulen; es gibt Militär- und Gefängnisseelsorge, und die Kirche kann Gesetzesentwürfe begutachten.
Nicht jede/r sieht aber die Kirche als Instanz für gesellschaftliche Fragen. Hurka zufolge wird der Kirche in vielen Bereichen – etwa dem Thema Sexualität – die Kompetenz abgesprochen. "Die Kirche ist auf dem Image des Kirchenvolksbegehrens hängengeblieben – sexualneurotisch, frauenfeindlich, undemokratisch, vormodern", sagt Zulehner, "derzeit wird der Untergang verwaltet, statt der Übergang gestaltet." Die Plattform "Wir sind Kirche" versucht die Kirche zu mehr Offenheit zu bewegen – etwa bei Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und sie setzt dabei auf einen finanziellen Hebel, den Kirchenbeitrag. Dieser ist nach wie vor die größte Einnahmequelle der Kirche. Wer unzufrieden ist, kann seinen Beitrag auf ein Treuhandkonto einzahlen. Hurka erhofft sich dadurch mehr Gesprächsbereitschaft von konservativen Kreisen.
Gesellschaftlich besser angeschrieben ist die Kirche bei sozialen Fragen: Die Caritas genießt einen guten Ruf, man traut der Kirche zu, mehr Solidarität gegenüber sozial Schwachen zu schaffen. "Die Menschen erwarten sich moralische und soziale Antworten. Zu Themen wie Zuwanderung, Randgruppen oder Alleinerziehenden würde ich mir sogar mehr Visionen von der Kirche wünschen", sagt Polak. Auf der Suche nach Spiritualität hingegen verliere die Kirche an Boden. Die Menschen finden – vor allem in der Großstadt – andere geistige Quellen. Leitenberger freut sich dennoch über den Zulauf zur katholischen Kirche: "Es gibt niemanden, der jeden Sonn- und Feiertag so viele Menschen bewegt – ohne Gewinnspiele." 800.000 Menschen besuchen laut Leitenberger regelmäßig den Gottesdienst. 900.000 Menschen verfolgen die Messe über die elektronischen Medien.