Reich in Österreich
Soziale Hängematte der Reichen
Zwei Prozent der Weltbevölkerung besitzen die Hälfte des gesamten Vermögens. Macht die Finanzkrise die Welt nun gleicher? Text: Martin Schürz, Beat Weber
Nimmt man die Häufigkeit der medialen Berichterstattung zum Indikator, scheinen die Reichen die Hauptopfer der Finanzkrise zu sein: Die Vermögenden verzeichneten infolge der Finanzkrise Bewertungsverluste bei ihren Aktien und ihrem Immobilienvermögen. Vor der Krise besaßen zwei Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens.
Hierzu zählen Aktien, Anleihen, Sparbücher, Unternehmensanteile, Immobilien und Grundstücke. Macht die Finanzkrise die Welt nun gleicher?
Aus der neuen Forbes-Liste erfahren wir, dass die Milliardäre im Schnitt vorübergehend 30 Prozent ihres Vermögens einbüßten. Microsoft-Gründer Bill Gates verlor 18 Milliarden Dollar, sein Vermögen schrumpfte auf immer noch gigantische 40 Milliarden.
Auch Österreichs Millionäre sind ärmer und weniger geworden, ihre Zahl hat sich laut der Zeitschrift „Trend“ um zehn Prozent auf 70.100 verringert. Ein im „Trend“ zitierter Privatbanker schätzt die Buchverluste seiner Klientel auf rund zehn Prozent des Vermögens. Damit haben die Reichen im Schnitt aber maximal die Zuwächse der letzten fünf Jahre eingebüßt.
Doch an die Substanz gehen diese Verluste am Papier nicht. Wenn es an der Börse wieder aufwärts geht, verflüchtigen sie sich von alleine. Es lohnt ein nüchterner Blick auf das Vermögen der Reichen: Laut US-Notenbank ist die Vermögensungleichheit seit Anfang der 1990er Jahre kontinuierlich gestiegen. Das oberste Prozent der Bevölkerung besitzt in den USA mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens, die nächsten neun Prozent besitzen 38 Prozent. Und der Rest, das sind 90 Prozent der Bevölkerung, muss sich mit etwas über einem Viertel des gesamten Vermögens begnügen.
Verursacher besteuern
Und wie sieht die Vermögensverteilung in Österreich aus? Auch hier liegt eine markante Konzentration des Vermögens vor. Die obersten zehn Prozent haben einen Anteil von 54 Prozent am gesamten Geldvermögen und sogar von 61 Prozent beim Immobilienvermögen.
Bei jeder medialen Debatte über eine allfällige Vermögenssteuer wird die Lichtfigur des „kleinen Häuslbauers“ als mögliches Opfer identifiziert. Die Hälfte der ÖsterreicherInnen besitzt jedoch gar kein Immobilienvermögen. Mit einem Haus, das 450.000 Euro wert ist, zählt man bereits zu den vermögendsten fünf Prozent. Das reichste eine Prozent aller privaten Haushalte besitzt um die 200 Milliarden Euro an Immobilienvermögen. Bei echtem Vermögen geht es aber nicht um den Hauptwohnsitz, also um lebensnotwendige Unterkünfte. Es sind die zusätzlichen Liegenschaften der Reichen, die wirklich viel ausmachen. Die Schrebergärten und Wochenendhäuser der MieterInnen machen nur einen minimalen Anteil von 2,4 Prozent des gesamten Immobilienvermögens in Österreich aus.
Die breite Bevölkerung hingegen hat kaum nennenswertes Geldvermögen und daher auch nur geringe Vermögenseinkommen. Die meisten sind nahezu ausschließlich auf ihr Lohnarbeitseinkommen angewiesen. Mit der rapide ansteigenden Arbeitslosigkeit verlieren viele auch diese Einnahmenquelle. Die entscheidende Frage ist: Gelingt es der Gesellschaft, die Reichen aus der sozialen Hängematte heraus und zu einem Solidarbeitrag zu bewegen?
An massiven Steuererhöhungen für die Vermögenden führt in der aktuellen Lage kein Weg vorbei, wenn der Wohlfahrtsstaat bewahrt werden soll. Und rational kalkulierende Reiche sollten ahnen, dass ein Vermögenssteuerbeitrag eine einträgliche Investition in eine sozial verträgliche Zukunft wäre. Schon eine Steuererhöhung im Ausmaß eines Bruchteils dessen, was die Finanzkrise bei den Reichen an Vermögensschrumpfung geleistet hat, würde einen Quantensprung bei der Finanzierung von Pflege und Armutsbekämpfung bedeuten. Dieser Beitrag zur Bewältigung der Folgekosten der Krise entspräche dem Verursacherprinzip. Denn die enorme Ausweitung der Veranlagungsmöglichkeiten auf den Finanzmärkten, deren verheerende Konsequenzen nun die gesamte Gesellschaft zu tragen hat, ist im Interesse der Vermögenden zustande gekommen.
Geringe Vermögenssteuer
Reichtum gefährdet eine Gesellschaft in ihrem sozialen Zusammenhalt. Während Armut geringere soziale Teilhabemöglichkeiten und eine bescheidenere politische Mitgestaltung impliziert, bedeutet Reichtum ein Übermaß an politischen Einflussmöglichkeiten gekoppelt mit der Möglichkeit, sich gesellschaftlichen Ansprüchen zu entziehen. Die freiwillige soziale Ausgrenzung der Reichen erfolgt über Privatkindergärten und -schulen, eine private Gesundheitsvorsorge und ein Leben in privat gesicherten Wohngegenden. Von Armut unabhängiger Reichtum ist eine Fiktion. Auch bei Bildung und Gesundheit erfolgt Privilegierung stets auf Kosten von anderen. Die demokratischen Missbrauchsmöglichkeiten von Reichen erstrecken sich über Lobbying, Ausübung von Medienmacht bis zu privater Nähe zu politischen EntscheidungsträgerInnen.
Reiche rechtfertigen ihren Reichtum oft über eine gemeinnützige Tätigkeit. 2007 waren in den USA 200 Milliarden Dollar an Zuwendungen der Reichen für wohltätige Zwecke zu registrieren. Dies mag auf den ersten Blick viel scheinen. Doch der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich betont, dass nur zehn Prozent der Wohltaten an Arme gespendet wurde. Das heißt, dass zum überwiegenden Teil für Museen, Opern und Ausstellungen gespendet wird. Das sind Investitionen in jene Kulturinstitutionen, in denen sich Reiche gerne sehen lassen. Das Vertrauen auf individuelle Güte mancher Reicher ist kein adäquater Ersatz für eine Vermögensbesteuerung.
Der wirtschaftspolitische Umgang in Österreich mit dem Thema Vermögenssteuer ist uninformiert und jener zum Thema des Reichtums weitgehend symbolischer Natur. Dicke Dienstwägen und fette Boni stecken den Denkhorizont ab. In der Finanzkrise ist eine zeitweilige symbolische Degradierung der Reichen durch die Politik angesagt. Davon profitieren aber insbesondere die Reichen, weil es ihnen ermöglicht, billig durch die Krise zu kommen. Ostentative Luxusscham und neue Bescheidenheit der Reichen helfen sicherzustellen, dass keine substanzielle Vermögenssteuer kommt. Die Reichen beweisen im Umgang mit dem eigenen Versagen ihr Vermögen. Und die WirtschaftspolitikerInnen demonstrieren in Zeiten des Finanzkapitalismus politischen Überlebensinstinkt. Sie bewegen sich auch in finsteren Zeiten nicht aus dem Schatten der Mächtigen und lehnen eine Vermögenssteuer ab.