Lebkuchenherz-Gesellschaft
Liebe Leserin,
Lieber Leser,
Während die Politik das entwürdigende Spiel fortsetzt, Flüchtlinge als Sicherheitsrisiko und kulturelle Bedrohung Österreichs hochzuschaukeln, und die SPÖ angesichts der bevorstehenden Wahlen im Burgenland mit ihrem Anti-Auffanglagerreflex die Wahlschäfchen ins Trockene bringen will, rechnet Philipp Sonderegger in der Rubrik Handlungsbedarf vor, dass lediglich zwölf Personen auf nur eine Betreuungsstelle kämen, würde der Unsinn der Massenlager (wie Traiskirchen) und die dazugehörende Diskussion beendet und in jedem Bezirk Österreichs eine Betreuungsstelle eingerichtet. Zwölf Personen, das klingt so nebenbei wie die ideale Vorleistung für die zum politischen Selbstläufer gewordene Forderung nach Integration. Vielleicht ist es aber gar nicht erwünscht, dass Flüchtlinge sich durch örtliche Konzentration nicht länger von der übrigen Bevölkerung abheben. Schon kurz nach der Ungarnkrise, das beschreibt Christa Zöchling in ihrem Essay, hatte das – retrospektiv verklärt – hilfsbereite Österreich bald genug von den „Parasiten“, wie Medien damals titelten. Zöchling zeigt auf, wie die österreichische Politik schon seit der Monarchie vor hundert Jahren zwischen deutschtümelnden Integrationsforderungen und Fremdenhass irrlichtert. Diese Entwicklung scheint sich insbesondere in den vergangenen Jahren beschleunigt zu haben. Wurde die Haider-FPÖ für ihre „Überfremdungs“-Rhetorik noch scharf kritisiert, dürfte der rechte Kurs von damals sich heute zur politischen Mitte geformt haben. Diesen Schluss zieht Andreas Peham, der eine an solchen Gedanken gefährlich nahe gelagerte ideologische Verortung heute bei den beiden Großparteien erkennt.
Aus Menschen, die insbesondere mit Angst und xenophoben Mustern auf sozialen Wandel reagieren, hat der Zürcher Soziologe in einer interessanten Studie die Gruppe der Traditionalisten herausgefiltert. Cathren Müller klärt im Gespräch mit Stolz, wer sie sind und wie sich über Traditionalismus nationale Gemeinschaft bilden lässt. Rückwärtsgewandte politische und soziale Muster erleben also eine neue Konjunktur, in der rechtskonservative PolitikerInnen mit der Heilsversprechung der „homogenen“Gesellschaft (die es freilich nie gab) kräftig punkten. Das hat uns, Sorry, auch zum ironischen Titel dieses Dossiers verleitet: „Früher war’s besser“.