Neues von der Bock
Von ihr kann man alles haben, nur kein nein. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien.
Mord auf Etappen
Der Mann mit dem Kopftumor war auch eine schlimme Geschichte. Jahrgang 1977 aus Tschetschenien mit Frau und vier Kindern. Er sollte operiert werden und hat dreimal den Termin verpasst, weil er davor jedes Mal in Schubhaft genommen wurde, immer nur für ein paar Tage und dann wieder. Die Behörden sollten sich schon einmal Gedanken machen, wen sie warum in Schubhaft nehmen. Er hat immer eine Krankenversicherung gehabt und war dann mit einem neuen Termin endlich zur Voruntersuchung im Spital. Dort haben sie ihm dann erklärt, dass sie ihn nicht operieren können, weil er nicht versichert ist. Ich ruf daraufhin in Traiskirchen an und bekomm’ gesagt, dass das Verfahren eingestellt worden ist und deshalb hat er jetzt keine Versicherung mehr. Ich sag denen, der Mann ist todkrank, das ist ja Mord auf Etappen, was da passiert. Also sagen sie, er soll einen Folgeantrag stellen, dann ist er wieder im Verfahren und versichert. Die Versicherung hat er dann wieder bekommen, aber den Termin wegen der dritten Schubhaft wieder versäumt. Inzwischen hat der Arzt gesagt, der Tumor ist inzwischen so groß, dass eine Operation gefährlich ist. Er empfiehlt nur eine Bestrahlung. Warum wir diese Dinge so handhaben, das verstehe ich nicht. Aber ist halt nur ein Fremder, oder?
Traiskirchen ganz cool
Jetzt gibt es laut Statistik weniger Asylwerber, weil einfach mehr weggeschickt werden. Aber die Anzahl der Fremden in Österreich ist ja gleich geblieben. Neulich hab’ ich eine Familie mit vier Kindern gehabt, die haben dreimal Anträge gestellt, alle abgelehnt. Dann sind sie nach Schweden. Dort hat man festgestellt, dass Österreich zuständig ist, also sind sie wieder zurück. Man hat sie nach Traiskirchen gebracht, wo sie wieder einen neuen Antrag stellen wollten. Das war an einem Donnerstag und man hat ihnen gesagt, am Dienstag ist Termin, bis dahin mussten sie sehen, wo sie bleiben. Ohne Geld, ohne Obdach, mit nichts. Also sind sie zu mir gekommen und wir haben einen Platz für das Wochenende gesucht. Dann sind sie wieder nach Traiskirchen gefahren, der Termin war aber auf nächsten Montag verschoben. Also musste ich sie wieder unterbringen und ich habe das auch geschafft. Aber: Was soll denn das bitte? Mit welchem Geld bezahlen die die Fahrten nach Traiskirchen oder das Essen für die Kinder? Normalerweise müsste Traiskirchen die sofort aufnehmen, aber die sagen einfach Folgeantrag und schmeißen sie raus. Wahrscheinlich denken sie, sie würden eh schon länger hier leben, aber die Familie kam ja gerade aus Schweden zurück.
Fadenscheinig
Dazu kommt, dass man die Leute auf dumm hält und keine Ausbildungen zur Verfügung stellt. Dass die Politik sagt, es gibt Bildungschancen, ist eine glatte Lüge. Ausländer dürfen über die Pflichtschule hinaus nichts machen. Von mir wird verlangt, ich soll einige Leute rauswerfen, die schon länger bei mir sind. Ich frage, wie soll ich das machen, der hat ja dann nix. Mir wird dann erwidert, dass der ja wohl irgendeine Schwarzarbeit haben wird. Also soll ich jetzt meine Leute zur Schwarzarbeit aufrufen, oder was? Gerade für Asylwerber ist es schwer, weil sie keine Rechte haben. Vorhin war einer hier, der hat schwarz auf dem Bau gehackelt und nach einer Woche hat der Chef ihn rausgehaut. Der hat keinen Cent bekommen für die Arbeit, weil der Chef wusste, mit dem kann man das machen. Bei solchen Dingen müsste das Rote Wien einmal aufstehen. Aber ich glaub’, keiner will sich in die erste Reihe wagen und sagen: So wollen wir das nicht. Und: Wir haben ein Flüchtlingsproblem. Ich glaube immer noch, wenn man die Leute ordentlich versorgen würde, dann hätten wir auch weniger Kriminelle darunter. Dann würde man sich auch die fadenscheinige Begründung ersparen, dass man gegen Kriminalität vorgeht, indem man das Asylgesetz verschärft.