Super Zukunftsaussichten
Das „old boys network“ funktioniert auch in Österreich noch bestens. Andrea Schurian über einen bis heute klaffenden Gender Gap.
Verblüfft haben wir trotz Wirtschaftskrise Mega-Managergehälter, nein: nicht bekommen. Nur darüber gelesen. Wenige sackeln jährlich ein, was viele lebenslang nicht erarbeiten können – falls sie überhaupt arbeiten dürfen und nicht der Kopfgeldprämie einer besonders gewinnorientierten Entlassungs- und Einsparungspolitik zum Opfer fallen. So gesehen eh auch wieder schön, wenn MitarbeiterInnen zum wirtschaftlichen Erfolgskurs eines Unternehmens beitragen können – und sei es dadurch, dass sie schlankgespart und entlassen werden. Es heißt übrigens: die Sparmaßnahme. Und: der Wirtschaftskapitän. Das ist nicht nur grammatikalisch richtig: magere drei Prozent in Vorstands- und Geschäfstführungs-Etagen sind weiblich, auch in Aufsichtsgremien sitzen deutlich weniger als 10 Prozent Frauen. Seit Jahren schaut der „Global Gender Gap Report" gleich öd aus, in der (Un)Gleichstellung von Mann und Frau in 128 Staaten der Welt liegt Österreich irgendwo zwischen Mitte und Schlusslicht, in der Kategorie „Wirtschaftliche Partizipation“ waren wir 2009 auf Platz 103 und unter den EU-27 belegen wir in der Gesamtwertung den vorletzten Platz. Ohne allzu viel Phantasie aufwenden zu müssen: das old boys network funktioniert immer noch bestens.
Frauen sind nicht in der Minderheit, schon gar nicht Minderleister, allerdings scheint es, dass die Gesellschaft, oder, um genau zu sein: die männliche Minderheit dieser Gesellschaft, über uns hinwegschaut. Uns nicht wahrnimmt. Gläserne Decken einzieht. Oder sich auf eine Damenklofrage kapriziert, wie seinerzeit die Wiener Philharmoniker.
Die Häuslfrage wurde geklärt, seit 1997 lässt Österreichs berühmtester Klangkörper auch Frauen mitspielen. Und? Die Frauenquote bei den Philharmonikern ist dramatisch – niedrig: eine fixe Musikerin, zwei Substitutinnen. Dirigentinnen? Ja. Eh. 30 Prozent der österreichischen AbsolventInnen von Instrumentalstudien sind weiblich, aber nur ca 10 Prozent dürfen in österreichischen Orchestern musizieren. In den USA ist der Frauenanteil drei- bis viermal so hoch. Ähnliches ist aus dem Bereich bildende Kunst zu vermelden. Durchschnittlich verdienen bildende Künstlerinnen um 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen – obwohl sie über eine höhere formale Ausbildung verfügen, sprich: mehr Frauen als Männer erfolgreich eine Kunstuniversität absolvieren. Wie überhaupt im Durchschnitt aller Studienabschlüsse Frauen einen – wenn auch knappen – Vorsprung vor ihren männlichen Kollegen halten. Ab da nimmt der Frauenanteil an den Universitäten rapide ab. Nur mehr ca. 30 Prozent der Assistenzstellen sind mit Frauen besetzt, bei den ProfessorInnen sind es gar unter 10 Prozent. Wenn es denn so flott weitergeht mit der Frauenquote an den Unis, wird es hochgerechnet eh nur bis zum Jahr 2917 dauern, bis endlich gleich viel Frauen wie Männer in Österreich eine Universitätsprofessur innehaben. Langfristig gesehen haben wir Frauen echt die besseren Zukunftsaussichten.
Beim „Global Media Monitoring Project“ werden alle fünf Jahre rund 13.000 Zeitungs-, Hörfunk und Fernseh-Nachrichten aus mehr als siebzig Ländern analysiert. Das Ergebnis aus dem Jahr 2005 (jenes aus 2009/10 steht noch aus): mehrheitlich (und zwar: sehr mehrheitlich) berichten Männer über Männer. Nur in acht Prozent der politischen Nachrichten stehen Frauen im Mittelpunkt. Nimmt man Chronik, Kultur, Softnews, Sport etc. dazu, sind es magere 21 Prozent. 86 Prozent aller Pressesprecher und 83 Prozent aller Experten, die in den Nachrichten auftreten, sind Männer. Ein kleiner Trost für uns Frauen: Zwar sind auch beim Fernsehen weltweit Männer (vor allem in den Chefetagen) in der und an der (Über)Macht, aber: präsentiert werden die Nachrichten zu 57 Prozent von Frauen. Egal auf welchem Kanal.
Wie hat die vielfach ausgezeichnete Mikrobiologin Renée Schröder so richtig gesagt: „Echte Gleichberechtigung wird es erst dann geben, wenn es ebenso viele mittelmäßige Frauen wie mittelmäßige Männer in Führungspositionen gibt.“
Kasten zur Person:
Andrea Schurian war von 1985 bis 2002 ständige freie Mitarbeiterin beim ORF. Sie gestaltete zahlreiche Reportagen und Portraits und modierierte die Sendungen „Kunststücke“ und die ZiB1/Kultur. 1982 hatte sie zum Thema „Der Agitationswert der Abtreibungsfrage in den sozialdemokratischen Medien der Zwischenkriegszeit.“ Promoviert. Seit 2008 leitet sie das Kulturressort der Tageszeitung „Der Standard“.