Neues von der Bock
Von ihr kann man alles haben, nur kein Nein.Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien.
Korrespondent: Andreas Bachmann, Bild: Isabell Bickel
Flüchtlingen aus dem Kosovo wird inzwischen reihenweise das Asyl aberkannt mit der Begründung, der Krieg ist ja vorbei. Aber wovon sollen die leben? Der Kosovo existiert doch nur von dem Geld, das die Leute von hier dorthin schicken. Da unten ist ja nichts. Also, existieren kann man da nicht. Es gibt keine Arbeit, schon gar nicht für die, die weg waren und jetzt zurückkommen, die sind nicht sehr willkommen im Kosovo. Weil die unten sagen: „Als es uns hier schlecht gegangen ist, seid ihr weg und jetzt wollt ihr auch noch was haben.“ Ich habe einen Kosovo-Albaner, der dort unten eine Firma aufmachen wollte. Ich weiß nicht genau, was, irgendwas mit Computern. Er richtet sich da unten einen Raum ein und plötzlich stehen da ein paar Leute, sagen zu ihm: „Du willst hier ein Geschäft machen? Dann zahlst du aber jedes Monat an uns.“ Der hat alles liegen und stehen lassen und ist wieder hergefahren. Warum rennt der so davon? Na, weil er genau weiß, was passiert, wenn er nicht zahlt. Wenn in Österreich zu mir jemand kommen würd’ und sagt, zahl mir jedes Monat 300 Euro, würd’ ich sagen: Schleicht's euch. Aber im Kosovo? Das traut sich der dort nicht sagen.
Unordnung
Die Flüchtlinge werden von einem Bundesland ins nächste geschoben und von einem Amt ins andere. Die Vorschriften sind auch immer andere. Wenn einer schon mit einem Fuß im Flieger ist, nur weil er das Bundesland verlassen hat, indem er sich aufhalten muss, dann ist das doch lächerlich, oder? Und die Regelungen von heute sind morgen auch oft schon wieder anders. Einer meiner Bewohner im Kabelwerk hat neulich eine Ladung auf die Wachstube erhalten. Er geht hin und wacht daraufhin in Nigeria auf. Der Mann war 15 Jahre hier, 59 Jahre alt, und hatte zwischenzeitlich sogar einen subsidiären Schutz. (Schutz vor Rückführung wegen Gefährdung im Herkunftsland, Anm.) Den haben sie ihm aber nicht verlängert, weil er nicht besonders g’scheit ist und nicht im Stand war, richtig Deutsch zu lernen. Er war vielleicht nicht besonders sympathisch, aber er hat ja nichts gemacht, kein Vergehen begangen. Das einzige war, dass er sich hier nicht integrieren kann. In Nigeria wird er wahrscheinlich in Haft sein. Wer heute im Asylverfahren ist, kann morgen schon abgeschoben werden. Jede Behörde entscheidet irgendwas. Ich denke mir, viel schlechter als jetzt kann es mit einem Bundesamt für Asyl und Migration auch nicht werden. Wenn da die selben Leute drin sitzen wie in Traiskirchen, wird es nicht viel bringen. Wenn es aber Leute sind, die wirklich bemüht sind, etwas besser zu machen, dann ist das eine gute Idee.
Bösartig
Das Furchtbare ist, dass ununterbrochen mit der Angst gearbeitet wird. Es heißt, ab März wird wirklich durchgegriffen, eben mit dem seit 1. Jänner verschärften Fremdenrecht. Ich habe jetzt schon viele, die jeden dritten Tag in der Polizeiinspektion Leopoldgasse stempeln gehen müssen. Schlimm wird es, wenn sie dort die Ersten verhaften. Dann traut sich niemand mehr hin, die gehen dann lieber in die Illegalität. Ich habe einen jungen Tschetschenen um die zwanzig, der ist als Kind hergekommen und hier groß geworden. Seine Deutschlehrerin hat mir erzählt, der traut sich mit keiner Straßenbahn zu fahren. Der macht alles zu Fuß und durch Hintergassen, weil er fürchtet, dass sie ihn aufgreifen. Was ist denn das für ein Leben? Der ist ja krank vor Angst. Und das geht weiter mit den Plänen der Innenministerin, alle Asylwerber erst einmal einzusperren. Ziel ist, dass sie alle wegkommen. Und je grauslicher man zu ihnen ist, desto eher sind sie weg. Nur das geht nicht auf, wie man sieht. Es sind immer weniger Leute in Traiskirchen. Aber wo sind die? Die sind auf der Straße und die sind bei uns. Das ist eine Annäherung an Zustände wie in Griechenland, wo sich die Leute aus Angst vor den Asylbehörden nicht melden und in die Illegalität verschwinden. Es ist viel strenger geworden, es ist bösartig.
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