Zwischen Taktik und Provokation
Der Journalist Simon Inou brachte MigrantInnen in die Mainstream-Medien. Wie, das bleibt sein Geheimnis. Text, Foto: Niko Katsivelaris
Simon Inou empfängt Gäste in seinem kleinen Büro am Franz-Josefs-Kai im ersten Bezirk. Eine exklusive Adresse, die Suche danach hat aber Monate gedauert: „Mann – Wien!“, stöhnt er über den Rassismus in der Hauptstadt. „Vor zehn Jahren sind wir auf die Straße gegangen und haben demonstriert. Und heute?“ Widerstände ist Simon Inou gewohnt, sie treiben ihn an: 1998 gründete er mit Freunden Radio Afrika, 2000 folgte die Tribüne Afrikas als Beilage der Wiener Zeitung. 2003 wurde er Chefredakteur von www.afrikanet.info, der ersten Internet-Plattform für die afrikanische Diaspora im deutschsprachigen Raum.
In den folgenden Jahren sollten medienwirksame Irritationen Inous Spezialität werden. Gemeinsam mit Béatrice Achaleke von AFRA (Center for Black Women’s Perspectives) startete er 2007 die Plakat-Kampagne Black Austria. Ziel der breit angelegten Aktion war der Abbau von Vorurteilen gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe. „Es war wichtig für uns, aktionistisch zu beginnen.“, erinnert sich Inou.“ Denn Österreich sei ein Land, wo man Angst vor Konflikten habe. Inou hingegen sucht die Konfrontation, eckt gerne an: „Aus Neugierde, aus Protest, ich komme aus der antirassistischen Szene.“ Leicht macht er es sich dabei nie: „Die Leute haben mich beschimpft“, erinnert er sich, „unglaublich, was ich da erfahren habe!“
Black Austria sollte nur der Anfang einer Reihe von Provokationen sein. Aktionen gegen das Mohrenkopf-Logo von Julius Meinl, die „Mohr im Hemd“-Werbung von Eskimo oder die „Negerküsse“ der Supermarktkette Zielpunkt folgten. Ein Dorn im Auge ist ihm auch das vom ORF verbreitete Afrika-Bild, das hauptsächlich aus „scheißenden Elefanten“ in Tier-Dokumentationen bestünde.
Rein in den Mainstream
Mit der Gründung von M-Media 2005 gelang Inou ein wesentlicher, struktureller Schritt. MigrantInnen sollten selbst die AutorInnenschaft in großen Medien übernehmen. Inou: „Es gibt dort zwei Bilder von MigrantInnen: das Bild des Kriminellen und das des Opfers.“ Gegen diese Klischees pocht Inou auf die Forderung nach Selbstorganisation, Selbstvertretung und Selbstdarstellung: „Ich spreche Deutsch, mit meinen Fehlern, aber lassen Sie mich mich selbst vertreten!“ Tatsächlich gebe es noch viel zu tun. In Österreich fehle es schlicht an geeigneten antirassistischen Netzwerken, so Inou, die Lage sei „katastrophal“. So gebe es an der einzigen österreichischen Ausbildungsstätte für JournalistInnen, dem 1978 gegründeten Kuratorium für Journalistenausbildung (KfJ) in Salzburg, kein einziges Seminar zum Thema Rassismus. Und zum MigrantInnenanteil beim ORF meint Simon Inou: „Es gibt sehr viele davon, nur bleiben sie unsichtbar. Es sind die Putzfrauen.“
Der heute 40-jährige Journalist war vor 15 Jahren nach einem Vortrag in Graz nicht mehr nach Kamerun zurückgekehrt. Als er erfuhr, dass Leben in Gefahr war, suchte er um Asyl an. Heute wird M-Media von der Stadt Wien gefördert. Längst kann der Inou die anfallende Arbeit nicht mehr allein bewältigen. Zahlreiche ProjektmitarbeiterInnen gehören zu seinem Stab. Die Erfolge lassen sich sehen: Jeden Mittwoch erscheint in der „Presse“ eine so genannte Integrationsseite, gestaltet vom M-Media-Redaktionsbüro. Zudem findet jährlich die Medien-Messe-Migration in Wien statt, diesen September zum dritten Mal. Das jüngste Projekt von M-Media besteht in der Vernetzung führender österreichischer Medien zum Thema „Diversität und Migration“. Außerdem verleiht M-Media jährlich den mit 5.000 Euro dotierten Österreichischen Preis für Interkulturelle Pressefotografie namens Lichtfarben.