Neues von der Bock
Von ihr kann man alles haben, nur kein Nein. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien. Korrespondent: Andreas Bachmann, Bild: Isabell Bickel
Erst verlegen, dann abschieben
Die Behörden haben sich angewöhnt, bevor sie die Leute abschieben, sie noch schnell woanders hin zu verlegen. Damit nicht solche Aufstände in den Dörfern entstehen, wie zuletzt. Wenn sie von Kleinkleckersdorf nach Kleinklickersdorf verlegt und dann drei Tage später abgeschoben werden, kräht kein Hahn danach. Aber wenn sie dort schon eine Weile gewohnt haben, dann wird’s ein Problem. Weil die Leute dort verwurzelt sind und die Bewohner es bemerken, wenn die wegkommen sollen. Dann sind’s eben nicht mehr nur irgendwelche Asylwerber, sondern Menschen. Dann ist es auch nicht mehr wurscht, ob die plötzlich einfach verschwinden. Es gab ja die Geschichten in Vorarlberg und zuletzt in Niederösterreich. Dort haben sie in Muthmansdorf eine Unterschriftenaktion (www.fussballverbindet.org, Anm.) gegen die Abschiebung einer Familie in den Kosovo gestartet. Aber es hat in dem Fall leider nichts genützt, sie haben die Familie trotzdem abgeschoben. Damit so ein Widerstand gar nicht erst entsteht, wird jetzt eben kurz vor der Abschiebung verlegt. Das erscheint mir eine neue Qualität.
Kleine Nadelstiche
Die Leute werden auch psychisch hergerichtet. Ich hab’ eine Familie aus Tschetschenien hier gehabt, die nach Graz verlegt werden sollte. Die Mutter war zuvor im Spital im SMZ-Ost zur Behandlung, weil sie verrückt ist. Ihr Mann ist zuckerkrank und ihre Tochter auch schwer traumatisiert von den Bombenangriffen im Tschetschenienkrieg. Sie war am Rosenhügel untergebracht und als sie zu uns kam, hat sie zu mir gesagt: „Wir sind aus Tschetschenien weg, weil da Krieg ist, aber hier ist ja auch Krieg.“ Halt auf eine andere Art. Man muss sich täglich sorgen, ob und wo man ein Dach über den Kopf bekommt. Das haben sie dann von mir bekommen, essen müssen die Leute ja auch was. Ich bin dann immer froh, wenn jemand in die Grundversorgung kommt, weil dann ist er krankenversichert. Und ich verstehe nicht, warum man diese Familie nicht dort lässt und ihnen die Grundversorgung belässt. Nein, immer kommt irgendeine Schikane daher. Sie werden verlegt oder bekommen plötzlich keine medizinische Versorgung mehr. Und dann kommen sie doch wieder in die Grundversorgung, obwohl sich gar nichts geändert hat. Diese kleinen Nadelstiche zermürben die Leute.
Rettung nur gegen bares
Der Herr Krebler (ärztlicher Direktor des AKH, Anm.) hat zu mir gesagt hat: Von den Kosten für eine Spitalsbehandlung deckt die Krankenkasse eh nur 20 Prozent ab, den Rest trägt der Staat. Aber würd’ es jemand umbringen, wenn der Staat die 20 Prozent auch noch übernimmt? Ich hab mich nämlich bei ihm beschwert. Ich habe eine rumänische Familie, die hier subsidiären Schutz hat. Die Frau hat angefangen zu arbeiten und war damit versichert. Ihr Bub hat sich vor kurzem in der Schule die Schulter ausgerenkt. Im AKH hieß es dann, die Behandlung kostet 250 Euro, weil er nicht versichert sei. Und wenigstens was gegen die Schmerzen, hat er dann gefragt. Ja, wenn du versichert bist, hieß es. Das Problem war, dass die Krankenversicherung über die Sozialhilfe eine andere ist, wie wenn er bei der Mutter mitversichert ist. Das hätte man umstellen müssen, das ist aber daran gescheitert, dass der Junge keine Geburtsurkunde vorlegen konnte. Ich habe ihm dann die 250 Euro gegeben, damit das erstmal behandelt wird, ihm aber gesagt, er soll sich eine Bestätigung geben lassen. Herr Krebler hat zu mir gesagt, er versteht das nicht und wollte wissen, warum sich der Bub nicht beschwert hat. Aber nicht einmal ich wäre auf die Idee gekommen, dass man sich da beschweren kann. Ich sag: Ich glaub’, das ist Linie, die Ausländer nicht zu behandeln. Nein, überhaupt nicht, versichert er mir. Er hat mir seine Karte gegeben und gesagt, ich solle mich melden, wenn sowas passiert. Sowas kann und darf es nicht geben. Er behandelt jeden, egal ob In- oder Ausländer. Nur: Wie komm’ ich dann zu der Bestätigung über die 250 Euro, wenn es das gar nicht geben soll?
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