Unpopuläre Härte
In jüngster Zeit entzündete sich mehrmals spontaner Widerstand gegen die Abschiebung von Kindern. Ändert das die Politik?
Mit der Abschiebung der Familie Komani hat die österreichische Fremdenpolitik wieder einmal ein Gesicht bekommen. Zwei achtjährige Mädchen wurden mit ihrem Vater in den Kosovo abgeschoben, die Mutter befand sich zeitgleich in stationärer psychiatrischer Behandlung. Dass die beiden Mädchen nahezu ihr gesamtes Leben in Österreich verbracht haben, kümmerte nicht.
Als Mitarbeiter der asylkoordination österreich hat mich aber weniger das Vorgehen der Fremdenpolizei überrascht, als dass es plötzlich einen Aufschrei der Bevölkerung gab. In Steyr nahmen 1.600 Menschen an einer Demonstration teil. Der Plattform www.gegen-unrecht.at gelang es innerhalb weniger Wochen, 110.000 Unterschrift en für die Petition „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“ zu sammeln.
Das entschiedene Auftreten der Zivilgesellschaft zeigte Wirkung. Innenministerin Fekter sah sich gezwungen, der Familie die Wiedereinreise zuerlauben. Ähnliches ereignete sich, als die Fremdenpolizei Araksya, ein 14-jähriges Mädchen aus Armenien, während des Unterrichts festnehmen sollte, um sie abzuschieben. Irgendjemand warnte das Mädchen, Araksya tauchte unter. MitschülerInnen, LehrerInnen und Eltern informierten die Öffentlichkeit. Und auch hier musste das Innenministerium vorläufig einlenken und konnte nicht abschieben.
Wieweit aber können solche spontanen Widerstände die österreichische Fremdenpolitik nachhaltig prägen? Ein aktueller Erlass des Innenministeriums an die Sicherheitsdirektionen, bei der Abschiebung von Familien mit Kindern „sensibel“ vorzugehen, lässt Änderungen vermuten. Aber greifen die nun angeordneten Maßnahmen nicht viel zu kurz? Primär ist es Österreichs völkerrechtliche Verpflichtung, Flüchtlingen Schutz vor Verfolgung zu gewähren. Dazu gehört ein faires und zügiges Asylverfahren ebenso wie der Zugang zu diesem. Die Dublin-II-Regelungen zwingen Erwachsene aber immer wieder dazu, sich als Minderjährige auszugeben, um einen Zugang zum Asylverfahren zu bekommen. Anstatt über die Sinnhaftigkeit dieser Bestimmungen nachzudenken, werden neue Methoden der Altersbegutachtung eingeführt.
Auch das europäische Konzept der „besonders schutzbedürftigen Personen“ wirft ungelöste Fragen auf. Mit der Abschiebung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, die in diese Gruppe fallen, wartet die Fremdenpolizei in der Praxis oft so lange, bis die Betroffenen volljährig sind. Dann kann sie die jungen Erwachsenen, meist ohne jegliches Aufsehen, einfach abschieben.
Wenn, dann gelangen nur besonders tragische Schicksale in die Öffentlichkeit. So wie die Geschichte von Samuel, der im September 2005 mit 14 Jahren nach Österreich kam. Der junge Äthiopier schloss in Graz die Hauptschule, später auch den polytechnischen Lehrgang ab. Das lange Warten und belastende Einvernahmen zermürbten ihn, am Ende folgte ein rechtskräftiger negativer Asylantrag. Im März 2009 stellte Samuel schließlich einen Antrag auf humanitären Aufenthalt. Er wurde trotz des offenen Verfahrens für zwei Monate rechtswidrig in Schubhaft genommen. Nach einem Suizidversuch und Monaten in Spitalsbehandlung nahm er sich das Leben, seine Leiche wurde am 11. Oktober 2010 bei Hainburg aus der Donau geborgen.
Jugendliche Flüchtlinge, die bittere Armut kennen, Verfolgung, Krieg, den gewaltsamen Verlust von Familienangehörigen, werden hier wie Störenfriede behandelt, anstatt dass wir ihnen helfen, hier eine neue Heimat zu fi nden. 110.0000 Unterschrift engegen Kinder in Haft geben Hoffnung, dass das Kindeswohl in Zukunft mehr Gewicht erhält.