Flucht mit Notausgang
Liebe Leserin
Lieber Leser
Manchmal kommt mir die Diskussion über Flüchtlinge, die lieber ihr Land aufbauen sollen („wie wir damals“) so vor, wie wenn man zu einem um das wirtschaftliche Überleben kämpfenden österreichischen Greißler sagen würde: Was jammern Sie, bauen Sie lieber auch einen „Billa“ auf. So, als müsste sich Mensch nur an die Arbeit für das Große machen, anstatt, wie im Fall des Greißlers, kleingeistig um seine wirtschaftliche Existenz zu kämpfen. Unlängst erzählte mir Sabine Zhang, ehemals Geschäftsführerin von SOS Mitmensch, sie habe in einem Dorf rund 200 Kilometer von Senegals Hauptstadt Dakar entfernt, mitgeholfen, einen bescheidenen Brot-Backofen aufzubauen. Der kleine Lehmkasten sei von den Menschen als essenzielle Verbesserung ihrer Lebensumstände erlebt worden. Beide Beispiele lassen mich vermuten, dass Menschen trotz mangelnder Perspektiven oft genug eine lange Leidensfähigkeit beweisen, bis eben nichts mehr geht. Während einige Menschen, denen die Perspektiven verloren gehen, ein soziales Netz auffängt, werden die anderen zu so genannten Wirtschaftsflüchtlingen. Dann landen sie z.B. im südspanischen Almeria, über das Sie in dieser Ausgabe eine Reportage lesen. Flucht ist natürlich auch durch Gewalt und Krieg motiviert. Über die Tücken von angeblich befriedeten Kriegsgebieten und die Interessen der österreichischen Innenministerin lesen Sie in der folgenden Geschichte über Tschetschenien. Fest steht: Selten nehmen Menschen mit ihrem Köfferchen den Notausgang, wie es das Cover dieser Ausgabe ironisch abbildet. Wer flüchtet, erlebt oft kaum vorstellbare Strapazen. Insofern ist die jüngste Verschärfung des Fremdenrechts, das Menschen für ihre Flucht kriminalisiert, klar abzulehnen. António Guterres, Hoher Kommissar des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), findet im folgenden Interview klare Sätze zu Österreich.
Spannende Momente wünscht
Gunnar Landsgesell
PS: Falls Ihnen die Anmutung des Heftes neu erscheint: Es ist auf umweltfreundlichen Mondi-Papier gedruckt.