Demokratische Bank
Ethische Geldanlage boomt. Jetzt will Attac sogar ein eigenes Geldinstitut gründen. Ist das möglich: demokratisch Geld verdienen? Die „Demokratische Bank“ im Elchtest.
Text: Beat Weber Illustration: Eva Vasari
Das Image der Banken ist seit der Krise im Keller. Das lässt sich an den jüngsten Werbespots der heimischen Geldinstitute gut ablesen: Da wimmelt es vor lauter Bezugnahmen auf Tradition, ehrliches Handwerk und andere Metaphern, die radikale Distanz zu der ins Gerede gekommenen Welt undurchsichtiger Spekulationsgeschäfte signalisieren sollen. Immer mehr Banken bieten zum Beispiel auch Gratiskonten für Arme an, um ihre karitative Ader unter Beweis zu stellen.
Das ist bitter nötig, denn ein wachsender Teil der Kundschaft will mit Zocken nichts zu tun haben und ist auf der Suche nach Alternativen: Nach einer Studie des „Forum nachhaltige Geldanlagen“ in Berlin ist das Volumen „nachhaltiger“ Anlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwischen 2008 und Ende 2009 um 67 Prozent auf 38 Milliarden Euro angewachsen. Das Begehr nach – ökologisch, sozial – „sauberer“ Geldanlage wächst. Bislang liegt der Anteil solcher Anlageformen an den gesamten Anlagevermögen in Österreich unter 2 Prozent. Doch die Sache hat Aufwind. Vornehmlich bedienen kommerzielle Banken die Nachfrage mit speziellen Investmentfonds, die nur in Firmen investieren, die bestimmte Kriterien erfüllen Zum Beispiel als umweltfreundlich zertifizierte Betriebe, keine Waffenproduktion, etc. Doch nicht nur der Verdacht auf Etikettenschwindel sowie mangelnde Überprüfbarkeit, auch das Verharren innerhalb eines profitorientierten Rahmens lässt einen Teil der Kundschaft unbefriedigt.
Deshalb erfreuen sich „alternative“ Banken gestiegenen Interesses. Einrichtungen wie die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS) und die Ethikbank aus Deutschland arbeiten auch an einem Österreich-Einstieg. Auch die Bewegungs-NGO Attac hat diese Stimmung aufgegriffen, und im Vorjahr die Idee einer „demokratischen Bank“ lanciert. Hunderte InteressentInnen haben sich gemeldet, die in den nächsten zwei Jahren diese Bank aufbauen wollen.
Ahnherr Raiffeisen
Die Demokratische Bank soll Geldanlage „mit gutem Gewissen“, begünstigte Kreditvergabe für soziale und ökologische Projekte sowie demokratische Führung bzw. Mitbestimmung der Geschäfte durch SparerInnen und KreditnehmerInnen verbinden. Damit soll ein anderes Bankenverständnis exemplarisch vorgelebt werden, das als Modell für ein „anderes Wirtschaften“ zur Veränderung der Gesellschaft beitragen soll. Die InitiatorInnen sind stolz, eine konkrete Initiative zur Verbesserung der Welt in die Welt zu setzen. Die Berichterstattung – von der Obdachlosenzeitung Augustin bis zum Wirtschaftsmagazin Gewinn – ist voll des Lobes. Doch eine kritische Prüfung steht bislang aus: Was steckt hinter der Idee? Kann sie funktionieren?
Die Grundidee der Demokratischen Bank ist eigentlich gar nichts so Neues: Sie entspricht weitgehend dem Leitgedanken des genossenschaftlichen Bankwesens, das sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat: Dienstleistungen für Mitglieder einer kooperativen Einrichtung, frei von Gewinnabsichten. Dieser Sektor hat in Österreich einen beispiellosen Siegeszug hingelegt: Der Raiffeisen-Konzern fehlt heute in keiner Abhandlung über Macht in Österreich. Wenngleich die Raiffeisen Bank in Werbekampagnen seit der Krise wieder besonders auf ein bodenständiges Image pocht, hat sie ihre Geschäftspolitik weit über die einst anvisierten Ziele hinausgeführt. Mit der demokratischen Bank, die als Genossenschaft konzipiert ist, wird diese Idee wieder zurück an den Start verwiesen und gewissermaßen einer Neugründung unterzogen. Vorstand und Aufsichtsrat sollen direktdemokratisch gewählt werden. Der Aufsichtsrat soll sich aus Beschäftigten, KonsumentInnen, SchuldnerInnen, KMU-VertreterInnen sowie einer Gender-Beauftragten und einer Umwelt-und Zukunfts-AnwältIn zusammensetzen.
Darüber hinaus will die Demokratische Bank mit ihrer Kreditpolitik den Umbau zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft vorantreiben. Statt rein kommerzieller Kriterien sollen auch soziale und ökologische Gesichtspunkte für die Kreditvergabe entscheidend sein.
Reinheit und Rendite
Die Demokratische Bank sieht sich als Vorbild für eine Umgestaltung des gesamten Finanzsystems. Dieses soll laut Konzept künftig dem Gemeinwohl statt der Gewinnmaximierung verpflichtet sein, und sich auf das Sammeln von Einlagen und Vergabe von Krediten für gemeinwohlorientierte Projekte statt auf riskante Finanzgeschäfte konzentrieren. Doch sitzt eine demokratische Bank nicht der Illusion einer harmonischen Welt des Vermögensbesitzes mit reinem Gewissen auf? Ein viel gefeierter Werbespot von Attac nach der Finanzkrise (zu sehen auf Youtube) setzt auf Entlarvung der Banken. Seriös wirkende Bankberater stehen bei näherer Betrachtung in Unterhosen da, und die gängigen Werbeslogans der Banken werden mit dem Spruch „Wir wollen nur ihr Bestes – ihr Geld“ durch den Kakao gezogen. „Lassen Sie sich nicht für blöd verkaufen – schließen sie mit uns das Casino!“ fordert Attac am Ende. Was wird hier adressiert? Es ist die Empörung der vermögenden Kundschaft, deren Vertrauen in rentable Wertanlage durch die Banken in der Krise erschüttert wurde.
Dass Banken Mist gebaut haben, würde niemand bestreiten, doch die Krise haben uns ja nicht allein zockende Banker eingebrockt, sondern eine immer schiefer werdende Verteilungslage. Die Guthaben der einen sind schließlich die Schulden der anderen. Dass 2008 die große Finanzkrise ausgebrochen ist, liegt nicht allein an Gier und Betrugsmentalität hinter den Bankschaltern, sondern hat mit den Verteilungsverhältnissen vor den Schaltern zu tun: Dort stehen in einer Schlange jene, die regelmäßig ihr Geld in Sicherheit bringen wollen und sich eine ordentliche Verzinsung erwarten. In der anderen Schlange stehen Leute mit Kreditantrags-Formularen.
Denn um eine ordentliche Verzinsung der Sparanlagen zu erzielen, muss es genügend rentable Projekte für die Kreditvergabe geben. Solche Projekte sind im gesättigten Westen rar geworden, also wurden die Banken einfallsreich und verlegten sich auf windige Projekte, zum Teil entdeckten sie die Armen als Kundschaft für ihre Kredite. Immer mehr Leute haben zu wenig Einkommen fürs Leben. Mit Krediten durch allzu freigiebige Banken bekamen viele Arme eine kurze Zeit einen Zipfel vom bürgerlichen Traum zu fassen: Ein eigenes Haus, ein Auto etc. Aber sobald die ersten Rückzahlungen fällig wurden, zerplatzte der Traum. Eine allzu große Menge an Menschen, die Kredite nicht zurückzahlen, und ihre Konsumausgaben wegen Geldproblemen einschränken, wurden in der Krise zum Problem für den Rest der Wirtschaft. Deshalb wurde die Finanzkrise bald zur Wirtschaftskrise: Nach dem Crash fehlten sowohl die Rückzahlungen in den Bankbüchern als auch die kreditbefeuerte Kaufkraft in den Supermärkten. Nur weil sich der Staat in neue Schulden stürzte und damit einen Teil des privaten Konsumeifers ersetzte, konnte ein Totalabsturz vermieden werden.
Wenn jetzt kein Mechanismus gefunden wird, um die Vermögensmassen auf den Sparbüchern abzuschmelzen und mehr in die Hände der Habenichtse zu übertragen, ist auf Dauer keine „bessere Welt“ und auch kein Wiederanlaufen des Wirtschaftsmotors denkbar. Eine Demokratische Bank, die sich von anderen Banken durch mehr Sicherheit für Sparguthaben auszeichnet, leistet dazu keinen Beitrag. Denn Vermögensumverteilung statt Vermögensabsicherung wäre gefragt, um substanzielle Demokratisierung zu erreichen und eine Wiederholung der jüngsten Finanzkrise zu verhindern.
Die Vision der Demokratischen Bank enthält zwar auch ein verteilungspolitisches Anliegen. Die InitiatorInnen kritisieren Zinsen als zentrales Problem und wollen Zinsansprüche bekämpfen. Doch Vermögen entsteht hauptsächlich aus Unternehmensgewinnen und Erbschaften, der obsessive Fokus auf Zinskritik blendet das aus.
Rendite abtrainieren
Doch auch wenn die SparerInnen der demokratischen Bank diese zur Umverteilung nützen wollen – was erwarten sie sich dann von der Mitsprache? In seinem Bestseller „Richistan”, einer Reportage über die Welt der Superreichen, beschreibt US-Autor Robert Frank die Bewegung der „Performance Philanthropie“. Reiche misstrauen demnach zunehmend spendensammelnden Hilfsorganisationen. Sie wollen die Sache stattdessen selbst in die Hand nehmen: Sie geben karitativen Projekten Geld, aber sagen den HilfsempfängerInnen genau, was sie damit tun sollen, verlangen Businesspläne, Erfüllung von Zielvereinbarungen und drohen mit Sanktionen bei Verfehlungen. Im Grunde übertragen sie die Managementmethoden aus ihrem Berufsleben auf ihre Wohltätigkeiten. So verstandene „demokratische“ Mitsprache der GeldgeberInnen bedeutet für jene, die begünstigte Kredite erhalten, eine zusätzliche Kontrolle und Bevormundung. So wie die wohltätigen Reichen bei den Projekten hineinregieren, denen sie Geld spenden und das als „soziales Investment“ definieren, birgt das Motto der Demokratischen Bank „Schauen Sie hin und übernehmen Sie Verantwortung dafür, wie Ihr Geld investiert wird“ für SparerInnen das Versprechen auf demokratische Mitsprache bei der Kreditvergabe.
Ein so verstandenes „verantwortungsvolles Sparen“ wäre weniger ein Schritt ins Reich der Freundlichkeit sondern eher das Gegenteil: Die Ausweitung der Chef-Attitüde und der damit verbundenen Kontrollansprüche auf die Wohltätigkeit.
Im Gegensatz zu manch anderen windigen Angeboten, die mit dem Etikett der „ethischen Geldanlage“ fragwürdige Geschäfte betreiben, ist die Demokratische Bank ein Projekt, dessen Aufbau und Ausrichtung transparent und mit Hilfe von Basisarbeit vonstatten geht. Und trotz all der Fallstricke, die im Konzept einer solchen Bank angelegt sind, ist die Begeisterung dafür beeindruckender Ausdruck des Wunsches, Gesellschaft irgendwie durch persönliches Handeln ein Stück weit zu verändern. Die häufig geäußerte Kritik, dieses Handeln würde auf der falschen Ebene ansetzen – nämlich der individuellen, unternehmensförmigen, statt der kollektiven, politischen -, setzt optimistisch voraus, dass eine andere Ebene überhaupt erreichbar ist. Dass auf politischer Ebene nicht einmal angesichts der tiefsten Krise seit Jahrzehnten verstärkte Vermögensbesteuerung und Umverteilung durchsetzbar scheint, macht jedoch nicht eben Mut für kollektives Handeln. Von fundamentaleren wirtschaftlichen Veränderungen ganz abgesehen. So könnte der Einsatz für eine Demokratische Bank wohlwollend als Versuch interpretiert werden, unter den bestehenden Verhältnissen wenigstens irgendetwas zu tun. Das Konzept beansprucht für sich nicht den Status eines zentralen Hebels für Veränderung, sondern sieht sich als Element unter einer Vielzahl von notwendigen Initiativen. So könnte die Demokratische Bank bei günstiger Entwicklung eine Art Trainingslager für die Einübung vom Abschied von Renditeerwartungen und Einsicht in die Zusammenhänge über den Tellerrand von Aktien- und Sparbuchbesitz hinaus sein.
Die Erwartungen der InitiatorInnen an das Projekt sind hoch: Trotz geringer Sparzinsen sollen genug SparerInnen angelockt werden, trotz begünstigter, teilweise sogar subventionierter Kredite für sozial-ökologische Projekte und Gratiskonten für Arme soll Kostendeckung erzielt werden…Geht sich das überhaupt aus? Die Erfahrungen der Sparkassen, Kreditgenossenschaften und solidarischen Finanz-Initiativen in zahlreichen Ländern Europas zeigen: Nicht-gewinnorientiertes Bankgeschäft kann funktionieren. Solcherart ausgerichtete Institute sind mangels Verstrickung in die riskanteren Aspekte des Finanzsystems in der Regel auch überdurchschnittlich gut durch die jüngste Krise getaucht.
Erfolgreiche Vorbilder gibt es also. Ob die Demokratische Bank je starten wird, steht jedoch noch in den Sternen. Mitarbeitswillige gibt es viele, aber die Hürden für den Einstieg ins Bankgeschäft sind hoch: Eine behördliche Bewilligung und zig Millionen Euro Grundkapital. Gleichzeitig will die Demokratische Bank auf den zentralen Vorteil traditioneller Banken, nämlich die Geldschöpfung, verzichten: Kredite sollen nur in Höhe der Spareinlagen gewährt werden. Da stellt sich abschließend die Frage: Zahlt es sich wirklich aus, enormen Aufwand und Kosten für den Versuch einer Bankgründung zu widmen, statt eine simple karitative Stiftung ins Leben zu rufen?