Fremdenunrechtsnovelle
Das Innenministerium lässt keine Gelegenheit aus, um dem Fremdenrecht neue Härten hinzuzufügen. Wir haben Innenministerin Maria Fekter ihr neues FremdenUnrechtspaket zurückgegeben.
Text: Alexander Pollak
Die jüngste Gesetzesnovelle verschärft nicht nur neuerlich den Status der Flüchtlinge in Österreich, sondern auch die rechtlichen Unklarheiten (siehe Seite 8). Hier der Versuch, die im neuen Fremdenrechtspaket enthaltenen – teilweise wahnwitzigen und durchgehend unnötigen – Verschlechterungen, übersichtlich darzustellen.
Doch zuvor ein Absatz zu den Verbesserungen, die der Gesetzesentwurf vorsieht. Sie sind gering an der Zahl, und dort. wo es sie gibt, finden sich gleich auch wieder Einschränkungen. Begrüßenswert ist etwa die nunmehr verpflichtende Rechtsberatung in fremdenpolizeilichen Verfahren. Konterkariert wird diese Bestimmung allerdings durch ein Beratungssystem, das in vollständiger Abhängigkeit vom Innenministerium stattfinden soll. Begrüßenswert ist die Frist, die Personen ohne Aufenthaltsberechtigung zur „freiwilligen Ausreise“ eingeräumt wird. Allerdings beträgt diese Frist nur 14 Tage und sie gilt nicht für so genannte Dublin-Fälle. Positiv ist schlussendlich auch die Regelung, dass im Falle einer Abschiebung eines unbegleiteten Minderjährigen eine Übergabe an Familienmitglieder oder an eine Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat vorzusehen ist. Allerdings ist nach wie vor keine umfassende Prüfung vorgesehen, die das Wohl von Kindern sicherstellt.
Nun zu den zahlreichen problematischen Aspekten des Gesetzespaketes. Ich möchte sie anhand von 10 Fragen abhandeln, die sich ein demokratischer Rechtsstaat stellen sollte, und auf die der Gesetzesentwurf des Innenministeriums folgende Antworten gefunden hat:
1. Sollen Menschen für das Delikt „Anwesenheit“ noch länger als bisher in Haft gesteckt werden?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann ja. Denn die höchstzulässige Dauer der Regelschubhaft soll von 2 auf 4 Monate verdoppelt werden. Diese Verlängerung entbehrt allerdings jeder nachvollziehbaren Begründung. Anstatt Schubhaft für Asylsuchende endlich nahe null herunter zu fahren, wird die schon bestehende dumme und rücksichtslose Inhaftierungspolitik noch weiter verstärkt.
2. Gehören Minderjährige, deren einziges Verbrechen darin besteht, in Österreich zu sein, ins Gefängnis?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann ja. Die geplante Neuregelung stellt sogar einen Rückschritt gegenüber der jetzigen Praxis dar, zumal die Anwendung „Gelinderer Mittel“ (also die Ausschöpfung von Möglichkeiten jenseits der Inhaftierung) bei 16 bis 18-Jährigen Jugendlichen nicht mehr, wie bisher, der Regelfall sein soll.
3. Sollen Familien mit Kindern in Schubhaft kommen?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann ja. Der Entwurf sieht vor, dass Kinder weiterhin in Schubhaft müssen. Zwar betont das Ministerium, dass Familien besser behandelt und kürzer inhaftiert würden als andere Schubhäftlinge, aber die Erfahrung, eingesperrt zu sein, wird den Kindern nicht erspart.
4. Soll die Schubhaft regelmäßig und in nicht allzu großen Intervallen richterlich überprüft werden?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann nein. Erst nach 4 Monaten (!) ist eine erste richterliche Überprüfung vorgesehen! Davor prüft einzig die Behörde, die die Schubhaft verhängt hat, ob sie weiterhin zu ihrer Entscheidung steht.
5. Sollen RechtsberaterInnen unabhängig und zum Wohl ihrer KlientInnen agieren können?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann nein. Der Entwurf sieht eine Rechtsberatung, die in einem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnis zum Innenministerium steht. Zudem müssen die RechtsberaterInnen in Zukunft eine „objektive“ Beratung durchführen. Damit soll wohl Druck auf die BeraterInnen ausgeübt werden, dass sie nicht mehr zum Wohl ihrer KlientInnen, sondern zum Wohlgefallen des Innenministeriums agieren.
6. Sollen die Deutschvorkenntnisse von Menschen, die etwa im Rahmen des Familiennachzugs nach Österreich einwandern wollen, gefördert werden?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann nein. Fördermaßnahmen vor der Einreise nach Österreich sind nicht vorgesehen. Was jedoch vorgesehen ist, sind (für viele der Betroffenen unerfüllbare) Sprachforderungen (ohne „ö“ wohlgemerkt).
7. Sollen Nicht-StaatsbürgerInnen, die schon länger in Österreich leben, in Unsicherheit und Existenzängste gestürzt werden?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann ja. Der Entwurf baut neue, höhere und absolut unnötige Hürden und Anforderungen für die Erlangung von Aufenthaltssicherheit ein. Menschen, die davon ausgegangen sind, dass sie in Österreich dauerhaft leben können und sich hier eine Existenz aufgebaut haben, werden plötzlich mit dem Risiko konfrontiert ausgewiesen zu werden.
8. Sollen Menschen, die um Asyl ansuchen, für 7 Tage in Lagerhaft kommen?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann ja. Das Menschenrecht auf Freiheit zählt für die Regierung weit weniger als die Möglichkeit, zu jeder Zeit und um jeden Preis Zugriff auf Asylsuchende zu haben. Flüchtlingen wird bei ihrer Ankunft kein Atemzug Freiheit mehr gegönnt und sie werden mit dieser Regelung mehr denn je der Willkür der Behörden ausgeliefert sein.
9. Sollen Verletzungen der Straßenverkehrsordnung und Verstöße gegen Prostitutionsregelungen zu einem Einreise- und Rückkehrverbot führen?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann ja. Selbst Verwaltungsübertretungen wie etwa eine Verletzung der Bestimmungen nach dem Meldegesetz oder eine Verletzung einer asylrechtlichen Gebietsbeschränkung können zu einem Rückkehrverbot führen, und es könnte auch Opfer von Menschenhandel treffen, wenn sie als nicht-legalisierte Prostituierte gearbeitet haben.
10. Soll es eine transparente, rechtsstaatliche und vernünftige Bleiberechtsregelung geben?
Wenn es nach dem Gesetzesentwurf geht, dann nein. Im Gegenteil, an allen Ecken und Enden wird für mehr Aufenthalts-Unsicherheit gesorgt. Menschen, die hier leben, hier in Ausbildung sind, die Kinder haben, die hier aufgewachsen sind, sind nach wie vor in vielen Fällen der staatlichen Willkür ausgeliefert.
Wie soll es nun weiter gehen? Wie kann eine Kurskorrektur erreicht werden? Und wie kann es zu einer fortgesetzten öffentlichen Mobilisierung gegen dieses Unrechts-Gesetz kommen? Die anhaltende Protestflut gegen die verschärften Härten im Fremdenrecht war für SOS Mitmensch jedenfalls ein klarer Auftrag auf alle Fälle eines zu tun: Das von der Innenministerin geschnürte Anti-Menschenrechtspaket zurück an die Absenderin zu schicken – portofrei!
Auf der SOS Mitmensch-Demo in Aktion: Schauspieler Josef Hader, SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak, Menschenrechtsanwältin Nadja Lorenz, Ko-Initiatorin Romy Grasgruber, Flüchtlingshelferin Ute Bock.