Die Gläserne Decke
Mann am Ende
Spitzenmanager hatten Zeit genug, die gläserne Decke für
Frauen zu beseitigen. Jetzt ist es Zeit für gesetzliche Quoten.
Dass sich gerade die bündische ÖVP so gegen Quoten
wehrt, ist skurril. Kommentar: Philipp Sonderegger
Viele Jahrzehnte hatten sie Zeit. Doch die unfähigen Manager an der Spitze der großen Unternehmen haben versagt.
Es ist ihnen nicht gelungen, die gläserne Decke zu sprengen und Frauen in Führungspositionen zu bringen. Managementversagen, Marktversagen. Einschlägige Studien sagen, dass Frauen strukturell am Aufstieg in Führungspositionen behindert werden. Dass aber mehr Frauen in Leitungsfunktionen gut für die Wirtschaft, für die Betriebe und für die Gesellschaft wären. In ganz Europa ist deshalb eine Diskussion über verpflichtende Quoten in der Privatwirtschaft ausgebrochen. Tatsächlich haben, ob Zufall oder nicht, vor allem konservative Regierungen – in Deutschland, Frankreich oder Dänemark – mit gesetzlichen Quoten für Unternehmen bereits Fakten geschaffen. Und in Österreich? Da ziert sich die ÖVP noch. Zwar hat Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner jüngst eine Quote für die Aufsichtsräte von rund 60 staatlichen Unternehmen angekündigt. Allerdings nur 25 Prozent, und das ohne gesetzliche Verpflichtung.
Quotenpartei ÖVP
Dabei kann gerade die ÖVP auf gute Erfahrungen mit Quoten zurückgreifen. Parteiobmann Josef Pröll bringt gewiss einiges an know-how mit, wie man bei Postenbesetzungen alle Bünde, Generationen und Bundesländer der Partei befriedigt. Folgt auf Ex-Innenminister Günther Platter (ÖAAB) eine Wirtschaftsbündlerin aus Oberösterreich, dann wird eben das nächste freie Staatsekretariat wieder mit einer ÖAABlerin aus Tirol besetzt. (Wobei man der ÖVP freilich auch nach den jüngsten Rochaden vertrauen sollte, dass die Bestqualifizierten zum Zug gekommen sind.)
Schwer zu glauben also, dass eine Partei mit soviel praktischer Erfahrung generell gegen Quoten eingestellt ist.
Angst vor Kontrollverlust
Berechtigte Angst könnten die Quotengegner vor dem Ende ihres Führungs- und Arbeitsmodells haben. Das illustriert der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx in einem Beitrag für die Berliner Tageszeitung Die Welt. „Karriere in Deutschland ist ein Wettbewerb um Anwesenheitszeiten, um kommunikative Präsenz.“, beschreibt Horx eine Situation, die auch für Österreich gilt: „Nur wer sein Privatleben der Firma opfert,“ könne Karriere machen. Und das funktioniere wiederum nur, wenn Aufzucht, Hauswirtschaft und Beziehungsarbeit an Dritte ausgelagert werden: an die Frau (seltener den Mann), an Verwandte oder Bedienstete. Das entspricht einer Zuteilung der Sphären – hier das Geldverdienen, dort die Reproduktions- und Beziehungsarbeit – die ein Machtverhältnis klar zum Vorteil des/r Verdienenden schafft: Wer zahlt, schafft an. Es spiegelt ein Rollensystem, von dem auch Österreichs Wirtschafts- und Polit-Eliten profitieren, wie deren Lebensläufe verraten.
Familienprobleme?
In Ländern mit höherem Frauenanteil hat dieses Modell aber ausgedient, wie Horx am Beispiel der Karrierekultur Skandinaviens beschreibt. Wer in Stockholm als Führungskraft nach 17 Uhr noch am Schreibtisch anzutreffen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Familienproblemen gefragt. Etwas nicht in Ordnung zu Hause? Insofern schließt sich der Kreis, wenn Horx die letzte Finanzkrise auf beziehungsunfähige und 14-Stunden-plus arbeitende Männer im Dopaminrausch zurückführt. Diese männliche Zeit- und Beziehungskultur sei nicht produktiver als ein emanzipatives Modell, sie ruiniere vielmehr ganze Firmen. Und man kann hinzufügen: Ganze Gesellschaften.