„Beim Sauschädelessen vom Konrad“
Der alte Lobbyismus-Stil ist extrem anfällig für Korruption, sagt Andreas Kovar. Der Ko-Geschäftsführer der PR- und Lobbying-Agentur Kovar & Köppl zählt sein Unternehmen zum neuen Stil. Ein Besuch bei den Salzburger Festspielen gehört da nicht dazu. Interview: Maria Sterkl. Fotos: Karin Wasner.
Herr Kovar, Ist Österreich für Sie ein angenehmer Markt? Sie haben doch wenig Konkurrenz von anderen LobbyistInnen.
Ja, wir haben wenig Konkurrenz. Ich halte es nur für keinen Vorteil.
Aber das ist doch praktisch für Sie – Sie können die Preise selbst bestimmen.
Die Preisgestaltung ist natürlich ein Vorteil, ja. Aber es gibt in Österreich, wenn es hoch kommt, 50 Leute, die das machen, was ich mache – externe Lobbyingberatung. Und davon sitzen 20 bei mir im Unternehmen. Die Leute am externen Beratermarkt kennen einander alle, man ist relativ amikal. Diese Wadlbeißerei, die man aus der PR kennt, die gibt’s bei uns nicht, es herrscht eine Art sozialer Kontrolle. Der Markt ist erst halb entwickelt. Das hat Vorteile, aber auch den großen Nachteil, dass ich ständig erklären muss, was ich mache.
Dann kommt Ihnen die gegenwärtige Debatte ja zugute, oder nicht?
Nicht ganz. In der Eskalationsphase kannst du über nichts sachlich diskutieren. Aber offensichtlich braucht es diese Eskalation, damit die Leute sehen: Dieses Thema ist auch wichtig. Seit drei Jahren rede ich mit der SPÖ, der ÖVP und den Grünen über ein Registergesetz zum Lobbyismus – ohne Erfolg. Nicht, dass ich glaube, dass man mit so einem Register Korruption bekämpfen könnte. Aber die Gesellschaft hat ein Anrecht, zu wissen, wie die Landkarte der Interessensvertreter ausschaut.
Sind Politiker froh, wenn sie gabelfertige Gesetzestexte vorgelegt bekommen?
Über fertige Texte sind sie meistens nicht froh. Das sag ich auch aus eigener Erfahrung aus meiner Zeit als Politiker. Einen fertigen Abänderungsantrag nimmt man meistens nicht – man will ja die Hintergründe wissen. Am besten ist, man bringt genau auf den Punkt, was man will – Fakten, Argumente, am besten in Frage-Antwort-Form. Wenn man zusätzlich noch einen Normentext liefert, ist man gut unterwegs.
Gibt es PolitikerInnen, die schwerer zu ‚bearbeiten’ sind als andere?
Es gibt working horses und show horses. Meistens kann man das ganz gut unterscheiden. Der Hundstorfer ist zB einer, der fleißig arbeitet, sich die Hintergründe erklären lässt, aber der auch sehr genau weiß, was er will – einer, der auch Nein sagt, was bei Politikern eher selten ist. Die Tendenz geht sehr stark in Richtung Inszenierung.
Würden Sie für SOS Mitmensch einen Auftrag annehmen, zum Beispiel gegen das neue Fremdengesetz zu lobbyieren?
Ja.
Wie viel würde das kosten?
Wir würden das pro bono herschenken. Wir machen das fast immer, wenn es angefragt wird.
Wie viel würden Sie einem Unternehmen verrechnen?
Das kommt darauf an. Unser Tagsatz ist 2.400 Euro. Die Prozesse laufen aber meistens über Jahre. Die neue Binnenmarkt-Richtline zu Gas und Strom bearbeiten wir seit 2006.
Wie viel kostet das?
Circa 200.000 Euro pro Jahr sind realistisch.
Es geht also in den Millionenbereich – für ein einziges Gesetz?
Die Kosten für ein Unternehmen, das sich beteiligen will, liegen bei einer Million Euro für eine EU-Richtline plus Umsetzung ins nationale Recht. Das ist natürlich viel Geld. Aber wenn ein schlechtes Gesetz herauskommt, dann kostet das auch Geld.
Wird ein Gesetz durch Lobbying besser?
Die Wirkung politischer Entscheidungen kann desaströs sein. Politiker handeln aber meistens so, als ob es keine Außenwelt gäbe. Als erfahrener Politiker hast du einen Beraterstab – das sind meistens die eigenen Angestellten. Die Vorstellung, dass da irgendwelche Golfpartner das Sagen haben, ist vollkommen irreal – das ist nicht der Fall. Wir als Lobbyisten versuchen, in diesen Beraterkreis vorzudringen.
Zu wem gehen Sie in Brüssel? Zu Mitarbeitern der Kommission, zu Parlamentariern?
In der ersten Phase sind wir zum Rat gegangen, also zur österreichischen Ministeriumsebene. EU-Lobbying betreibst du vor allem über die Hauptstädte – über Berlin zum Beispiel. Wir haben einmal mit Berlin gesprochen, um herauszufinden, wie sich die Deutschen bei der nächsten Ratssitzung verhalten würden.
Haben Sie es herausgefunden?
Ja. Die Österreicher wussten das zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Sie lobbyieren ja nicht nur „große“ EU-Richtlinien, sondern auch nationale Verordnungen. Wie viel kostet das?
Auch bei kleinen Verordnungen behaupte ich, dass der Prozess oft über mehrere Jahre läuft. Wenn Sie erst bei der Entscheidung selbst Einfluss nehmen wollen, ist es eh schon zu spät. Lobbying ist nicht Event-orientiert.
Sie gehen nicht zu den Salzburger Festspielen?
Nein. Was will ich denn dort? Was will ich denn beim Sauschädelessen vom Konrad, beim Opernball, in Kitzbühel, bei den Festspielen ? Um Bekanntschaften aufzufrischen, reichen mir die ganzen Weihnachtsfeiern und Sommerfeste. Ich bin 47, ich bin lang genug im Geschäft – und wenn ich jemanden nicht kenne, dann gibt es immer Leute, die den kennen. Wissen Sie, es gibt den alten und den neuen Stil der Interessensvertretung. Der alte Stil geht so: Der Vorstand kennt eh jemanden, der ruft den an, und die Mitarbeiter erfahren gar nichts. Der neue Stil funktiioniert so: Man betreibt Lobbying im Unternehmen als Teamarbeit. Persönliche Kontakte des Vorstands werden immer erst als letztes Mittel eingesetzt. Wenn gar nichts mehr geht, sagt man: Gut, jetzt muss der Vorstand noch mit dem Landeshauptmann gehen, weil das, was die Beamten da treiben, das geht einfach nicht, da müssen wir uns wehren.
Ich nehme an, Sie vertreten den neuen Stil.
Ja. Aber der alte ist viel verbreiteter in Österreich. Und er ist extrem korruptionsanfällig. Es gibt einige Lobbyisten in Österreich, und die kennt man alle, die versuchen, den Unternehmern das so zu verkaufen, als würde man auf den Festspielen etwas gewinnen.
Wer Korruption aufdecken will, braucht nur auf die Festspiele zu gehen?
Wissen Sie, Korruption ist in Österreich ein relativ scharf umrissenes Problem. Die Frage, was in Österreich legal, und was nicht mehr legal ist, ist relativ klar. Aber es wird viel zu wenig verfolgt. Seien wir ehrlich: Diese Hochegger-Geschichte, das haben wir ja alle gewusst, dass da irgendwelche Linken laufen. Wenn du mit Journalisten geredet hast, hast du gesagt, bitte schaut euch das in der Buwog einmal an. Dann haben die gesagt: Hast du einen Beleg? Und ich hab gesagt: Nein, aber es schaut aus wie eine Ente, es quakt wie eine Ente, also was wird es sein?
Heute hingegen wird berichtet.
Ja, heute ist es so weit eskaliert, dass alles unterstellt werden darf – Stichwort Vorwürfe gegen Hannes Jarolim: Das kann ausschauen wie ein Uhu, und du kannst behaupten, es ist eine Ente, und alle sagen: Ja, es quakt. Dann plötzlich geht jede Geschichte. Aber im Vorfeld will es keiner hören.
Vermitteln Sie Privatpersonen gegen Bezahlung Kontakt zu PolitikerInnen?
Nein, weil es nicht notwendig ist. Wenn das interessant ist, was Sie ihm erzählen, wird er Ihnen zuhören.
Wie nahe dürfen Politik und LobbyistInnen einander kommen, ab wann wird es kritisch?
Sie sollten einander sogar sehr nahe sein. Was problematisch ist, ist die Verquickung von Politik, Medien, Wirtschaft – bezahlte Journalisten und so weiter. Aber die Nähe ist nicht das Problem. Wir haben ja derzeit eher das Problem einer Lücke zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Alle Politiker machen dieselbe Erfahrung: Du sitzt wo, es kommt jemand, der erzählt dir was. Du weißt, so kann das nicht ganz stimmen, der hat überhaupt keine Ahnung vom aktuellen Stand der Diskussion, und du denkst dir: Puh, ein bisserl Zeitunglesen könnte dem nicht schaden. Dann fragst du ihn: Wie kann ich Ihnen helfen, was könnten wir tun? Und nach einer Stunde sagt er: Wissen S‘ was, lass ma das, was nachkommt, ist meistens noch schlimmer. Die Anschlussfähigkeit der Zivilgesellschaft an die Politik ist nicht gegeben.
Gut, aber im Bereich Asylrecht gäbe es durchaus kompetente NGO-VertreterInnen – die klagen aber darüber, dass die Politik ihnen nicht zuhört.
Ja, das sind Einzelne. Aber die NGOs insgesamt sind noch nicht kompetent genug. Vor allem fehlt mir der Diskurs. Gehen Sie auf Politik-Institute in Wien: Da wird über Partizipation gesprochen, als wäre das das Schlimmste, was uns passieren kann. Ich halte Partizipation von Unternehmen und NGOs für einen Fortschritt. Das Ideal wäre, einen großen Markt der verschiedenen Interessen zu haben.
Besteht nicht die Gefahr, dass die, die das nötige Geld haben, sich durchsetzen, und die, die ohnehin schwach sind, kein Gehör finden?
Ja. Die Frage ist nur: Verschlechtert sich das dadurch, dass sich Unternehmen verstärkt beteiligen? Ich glaube nicht.
Aber es gibt doch keine Waffengleichheit. Eine politische Partei profitiert von guten Beziehungen mit einer Bank – aber wohl kaum von guten Beziehungen mit der Schuldnerberatung. Vielleicht werden beide Seiten gehört, aber die Meinung der einen Seite hat mehr Gewicht.
Es ist ja jetzt auch nicht so, dass ich ein ausgeglichenes System aller Ansprüche hätte. Beim Konsultationsverfahren im Parlament musst du eingeladen werden – das ist nicht öffentlich. Dann gibt es Stellungnahmen, gut, aber die werden nicht alle veröffentlicht. Dann verschwindet das Ding nach der Entwurfsphase, kommt in einen Ausschuss, der auch nicht öffentlich ist, und dort wird dann der Opposition überraschend ein Abänderungsantrag rübergeschoben, der völlig anders aussieht als vorher. Was ist da transparent? Nichts!
Sind Sie optimistisch, was Korruptionsbekämpfung in der Zukunft anbelangt?
Ja, es wird viel strengere Regelungen geben – auf Druck der EU. Manche sind skeptisch. Aber früher hat es geheißen: „Wenn in Österreich das EU-Vergaberecht kommt, dann wird nichts mehr gebaut werden.“ (Schaut zum Fenster) Also, ich habe nicht den Eindruck, dass nichts gebaut wird.
Zur Person:
Andreas Kovar i(47) war bis 1999 für das Liberale Forum im österreichischen Parlamentsklub und als wirtschaftspolitischer Berater im EU-Parlament tätig. Der studierte Forstwirtschafter gründete 2000 gemeinsam mit Peter Köppl die externe Lobbyingberatung "Kovar & Köppl Public Affairs", die heute mit Büros in Wien und Berlin vertreten ist.