Kein Spielball von Populismus
Georg Kapsch über Fehler und Erfordernisse des Integrationsdiskurses in Österreich. Illustration: Petja Dimitrova
Die Themen Migration, Integration und Asyl sind, wenngleich auch grundsätzlich unabhängig behandelbar, eng miteinander verwoben. Integrationspolitik kann nur dann erfolgreich sein, wenn imVorfeld Migration gesteuert und Asylanträge sachlich und korrekt im Einklang mit internationalen Konventionen abgehandelt werden. Erst wenn diese Basis gegeben ist, kann sich Integrationspolitik nachhaltig entfalten. Integration ist ein zweiseitiger Prozess von gegenseitigem Respekt für unterschiedliche Wertesysteme, einer Offenheit für Neues und Anderes und vor allem dem Willen, Menschen in unsere Gesellschaft aufzunehmen, aber auch dem Willen, die Normen und Regeln unserer Gesellschaft zu akzeptieren, ohne sich assimilieren zu müssen. Integrationsmaßnahmen beginnen in der Bildungspolitik, um Chancengleichheit herzustellen und um negative Auswirkungen auf das Schulsystem zu verhindern. Integrationspolitik setzt sich in der Wohnungspolitik fort, um eine Durchmischung der unterschiedlichen Ethnien, allerdings mit der nötigen Sensibilität, zu fördern. Integrationspolitik bedeutet auch, in der öffentlichen Verwaltung verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund zu beschäftigen, wie dies in der Industrie seit Jahrzehnten üblich ist. Integrationspolitik bedeutet aber auch zu helfen, die Vorteile und Stärken kultureller Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung zu empfinden. Integrationspolitik muss auch berufliche Hürden beseitigen, die durch Nicht-Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen zu Beschäftigung von Hochqualifizierten in Niedrigqualifikations- Jobs führen. Integration setzt Spracherwerb voraus. Ohne Kenntnis der lokalen Sprache gibt es keine adäquate Kommunikation und damit auch keine Integration. Spracherwerb sollte jedenfalls Pflicht sein und durchaus mit Konsequenzen belegt werden. Das jedoch erst, nachdem die zuwandernde Person die Chance dazu im Inland erhalten hat. Die Forderung von „Deutsch vor Zuzug“ wird viele Menschen, die wir bitter brauchen, abschrecken. Beiden Gesellschaftsgruppen, migrierenden wie auch seit langem ansässigen, muss die Angst vor dem Miteinander genommen werden, anstatt sie zu schüren. Hier spielen auch Medien eine Rolle: ob sie das unterstützen oder weiteres Öl ins Feuer gießen. Um Migranten lokale Inhalte und die lokale Politik näher zu bringen, sie also zum Teil unserer Gesellschaft werden zu lassen, wären mehrsprachige Medien zielführend. Sonst würden Migranten wohl auf ihre gewohnten Medien aus ihren Ländern zurückgreifen und damit nicht die lokale Politik, sondern die ihres Herkunftslandes permanent vermittelt bekommen. Damit werden aber Menschen mit Migrationshintergrund auch viel stärker gefordert, sich mit dem Geschehen und dem politischen und kulturellen Umfeld ihres neuen Wohnsitzlandes auseinander zu setzen. Um dies noch zu unterstützen, wäre es sinnvoll, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Rahmen seines Bildungsauftrages den Spracherwerb mittels entsprechender Sendungen unterstützt. In jüngster Zeit spürt man auch eine gewisse Differenzierung in „gute“ und „schlechte“ Migranten, je nachdem, aus welchem ethnischen Umfeld sie kommen. Dies ist gefährlich und entspricht in keiner Weise einem weltoffenen Gesellschaftsbild. Integrationspolitik muss daher unabhängig von regionaler, ethnischer oder religiöser Herkunft agieren. Um Integrationsvorhaben politisch auch glaubhaft zu machen, sollten die Fehler der letzten Jahrzehnte offen angesprochen und zugegeben werden. Menschen dürfen nicht Spielball von Populismus werden. Genau deshalb sollten die Themen „Migration, Integration und Asyl“ laufend mit hoher Priorität verfolgt, aber niemals als Spielball in Wahlen eingesetzt werden.
ZUR PERSON
Georg Kapsch, geboren 1959, ist CEO des Telekommunikations- und Verkehrstelematikkonzerns Kapsch Aktiengesellschaft. Das Unternehmen beschäftigt über 4.000 MitarbeiterInnen und ist weltweit aktiv. Georg Kapsch ist u.a.
Präsident der Industriellenvereinigung Wien.