Ausgebootet trotz Qualifikation
Qualifikation spielt keine Rolle
Am Arbeitsmarkt darf niemand diskriminiert werden, so will es das Gesetz. Eine junge Mutter, die nach der Karenz aus dem Job gemobbt wurde und eine zugewanderte Juristin, die als Putzfrau arbeitet, erzählen eine andere Geschichte. Text: Sonja Fercher. Fotos: Karin Wasner
„Ich war bei meiner Firma ziemlich hoch im Kurs. Überstunden ohne Ende, viel unterwegs, viel im Flieger, die Firma hat mich gefördert. Es ist nicht lange her, da erhielt ich sogar noch einen Bonus.“ Dass der Kurs von Katharina Blumfeld (Name von der Redaktion geändert; Anm.) in den Keller sackte, hatte einen konkreten Grund: Sie wurde schwanger. Dabei hatte alles darauf hingedeutet, dass die Mittdreißigerin aus Graz nach der Karenz zuerst halbtags zu arbeiten beginnen würde, um dann wieder voll einzusteigen. Das internationale Unternehmen, bei dem sie im mittleren Management gearbeitet und zuletzt eine kleine Arbeitsgruppe geleitet hatte, wollte es anders.
Frau Blumfeld dämmert das erst langsam. Je näher der Wiedereinstieg rückte, desto klarer wurde ihr, dass die Firma ihr den Arbeitsplatz nicht mehr geben würde. Da die Frau aufgrund der Schwangerschaft nicht gekündigt werden konnte, versuchte ihr Arbeitgeber sie dazu zu bringen, selbst zu kündigen: „Es war reiner Psychoterror“, erzählt Blumfeld. „Es gab unzählige Sitzungen, bei denen einfach geschwiegen wurde“, erinnert sie sich. Man bot ihr schlechter gestellte Jobs an, oder solche, für die sie nicht die passenden Qualifikationen hatte. Oder solche, die sich mit der Kinderbetreuung nicht vereinbaren ließen. Das Maß an Verständnis sei selbst unter KollegInnen beschränkt gewesen. Einige merkten an, dass man nun einmal damit rechnen müsse, dass ein Kind einen Knick in der Karriereleiter bedeutet. Auf einmal wurde der jungen Mutter bewusst, dass sich diese Situation bereits länger angekündigt hatte. Ihr fiel ein, dass sie, als sie noch arbeitete, bereits über bestimmte Vorgänge nicht mehr informiert oder zu Besprechungen nicht mehr eingeladen worden war.
Frauen: zu wenig „verfügbar“
Blumfeld ist eine von vielen Frauen, die mit Diskriminierung in der Arbeitswelt konfrontiert sind. Nicht nur beim Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft werden Frauen Steine in den Weg gelegt: Sie werden bei Bewerbungen nicht berücksichtigt oder einfach geringer bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Das geht aus den Berichten der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) hervor, an die sich Betroffene von Diskriminierung wenden können. Oft geht es dabei um geschlechtsbezogene oder sexuelle Belästigung, nach wie vor eine beliebte Strategie, um Frauen einen bestimmten Platz zuzuweisen. „Das funktioniert perfekt, selbst bei Frauen, die von sich sagen, sie seien hantig“, berichtet die Gleichbehandlungsanwältin Cornelia Amon-Konrad. Bei ihrer Stelle können sich Betroffene von Diskriminierungen über rechtliche Schritte beraten lassen, sie werden dabei unterstützt, zu ihrem Recht zu kommen.
Die Schilderungen von Blumfeld sind Amon-Konrad sehr vertraut. „Manche Unternehmen sind sogar bereit, tief in die Tasche zu greifen, nur um eine hoch qualifizierte Frau nicht beschäftigen zu müssen“, erzählt die Anwältin. Sie berichtet von einem ähnlich gelagerten Fall, bei dem sich der Arbeitgeber mit einer Frau auf eine einvernehmliche Lösung einigte und der Betroffenen ihr Gehalt für vier Jahre ausbezahlte – so lange war sie durch die Elternteilzeit vor einer Kündigung geschützt. Ein solcher Ausgang ist nicht alltäglich. Dass Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf Schwierigkeiten haben, aber nach wie vor. Die Motive dafür sind altbekannt, in erster Linie geht es um die Verfügbarkeit der Frauen: „Die Firmen sehen eben, dass es immer noch die Frauen sind, die ausfallen, wenn das Kind krank wird. Der andere Aspekt ist die Frage nach dem zweiten Kind, und ob die Frau dann erneut ausfällt“, berichtet die Gleichbehandlungsanwältin. Auch Blumfeld ist davon überzeugt, dass auch ihr Arbeitgeber solche Motive hatte.
Arbeit unter Niveau
Motive anderer Art sind im Spiel, wenn MigrantInnen am Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Maria Lori (Name geändert; Anm.) kam aus Kroatien nach Österreich und arbeitet bei einer Reinigungsfirma. Tatsächlich hat Lori ein Jus-Studium absolviert und kann Erfahrung bei einer Anwaltskanzlei in Kroatien vorweisen. Sie verfügt sogar über eine Green Card, womit ihr auch der US-amerikanische Arbeitsmarkt offen stünde. Da ihr Mann aber kein Englisch spricht, kommt Auswandern für Lori nicht in Frage. Also ging sie in Österreich auf Arbeitssuche: „Ich habe sehr viele Bewerbungen geschrieben, habe mich in verschiedensten Bereichen beworben“, berichtet sie. Auch für Jobs, für die sie eigentlich überqualifiziert ist. „Mein Deutsch ist noch nicht perfekt“, gesteht sie ein. Trotzdem könnte die Juristin anspruchsvollere Jobs annehmen als jenen der Putzkraft.
Lori ist bei weitem nicht die einzige Migrantin, der es so ergeht, auch wenn ihr Fall besonders krass ist. Laut einer jüngsten Studie der Arbeiterkammer, in der die Chancen und Probleme von MigrantInnen auf dem Wiener Arbeitsmarkt untersucht wurden, werden rund ein Drittel der Zuwanderer unter ihrem Qualifikationsniveau eingesetzt. Das ist drei mal so oft wie bei ArbeitnehmerInnen mit österreichischen Wurzeln. Selbst wenn MigrantInnen ihre Bildungsabschlüsse in Österreich gemacht haben, werden sie öfter unter ihren Fähigkeiten beschäftigt.
Die Gründe für Ungleichbehandlungen sind vielfältig, Sprachbarrieren seien aber nur einer davon, erklärt Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie der Arbeiterkammer. „Migrantinnen und Migranten müssen frühzeitig dabei unterstützt werden, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das muss sofort passieren, wenn sie nach Österreich kommen“, fordert die Expertin. Erleichterungen brauche es außerdem bei der Anerkennung von Abschlüssen, die im Ausland erworben wurden. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz hat hier Vereinfachungen bei der Bürokratie angekündigt. Bis zum Sommer sollen erste Vorschläge vorgelegt werden. Doch das allein wird nicht reichen, wie die Studie zeigt: Selbst wenn Zugewanderte die Nostrifikation ihrer Abschlüsse erhalten, findet nur die Hälfte von ihnen einen Job, der ihren Qualifikation entspricht.
Das hat viel mit Vorurteilen zu tun, ist die AK-Expertin Moritz überzeugt. Eine Einschätzung, die Wolfgang Zimmer vom Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit – teilt. Er leitet die Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von Rassismus. „An uns werden in erster Linie Diskriminierungen bei der Jobsuche und der Bewerbung herangetragen“, berichtet er aus dem Alltag. Betroffen seien dabei zu einem großen Teil muslimische Frauen mit Kopftuch, aber auch Männer und Frauen türkischer Herkunft oder mit schwarzer Hautfarbe. Seiner Meinung nach müsste vor allem von Seiten der Arbeitgeber einiges passieren: „Auch Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sind in der Pflicht, ihren Mitgliedern immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass das Gleichbehandlungsgesetz unter anderem Diskriminierungen aufgrund von Herkunft und Religion verbietet.“ Auch in der Gleichbehandlungsanwaltschaft betont man die Bedeutung der Bewusstseinsarbeit.
Katharina Blumfeld und Maria Lori verbindet eines: Sie möchten unbedingt arbeiten. Bei Blumfeld ist im Moment völlig unklar, wie es weitergehen wird. Resignieren will sie ebenso wenig wie Maria Lori. Sie möchte sich weiterbilden, um als Beraterin für Flüchtlinge und AsylwerberInnen zu arbeiten. Denn sie möchte endlich das erreichen, was sie sich von einem Job wünscht: „An einer Stelle zu arbeiten, wo ich jeden Tag meine Kenntnisse vergrößern kann.“