Olivera Stajic über eine überkommene Identitätsdebatte. Kooperation statt Konkurrenz.
Anders gesagt
Die verlorene Generation?
Ihre Probleme, aber auch ihre Zweisprachigkeit und alle Facetten ihrer Identität sind längst Teil unserer Gesellschaft. Olivera Stajić über die Rolle der Medien, in einer pluralistischen Demokratie für Diversität zu sorgen.
Die in Österreich oder im Herkunftsland ihrer Eltern geborenen Kinder und Jugendlichen mit nichtdeutscher Muttersprache (außerhalb der EU) sind in der öffentlichen Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Integrationsdebatte omnipräsent.
Das gängige Klischee ihres Werdegangs sieht folgendermaßen aus: Sie kommen ohne Sprachkenntnisse – gemeint sind jene in Deutsch, natürlich – in die Kindergärten. In der Volksschule hindern sie ihre MitschülerInnen am Vorankommen, landen dann in der Hauptschule, wo sie in der Mehrheit sind. Falls sie den Hauptschulabschluss schaffen, dann mit so schlechten Noten, dass sie kaum einen Lehrplatz finden. Beim AMS sind sie schwer vermittelbar und benötigen spezielle Fördermaßnahmen. Zwischendurch werden sie kriminell. Das ist ein typisches Szenario, das auch medial fleißig verbreitet wird und leider, wie fast alle Klischees, zumindest teilweise auf der Realität beruht.
Ähnlich wie in der politischen Debatte gibt es zum Problemfeld der „zweiten Generation“ – die bereits „die verlorene“ genannt wird – im medialen Diskurs zwei Zugänge: Skandalisierung auf der einen Seite und wohlmeinende Bevormundung auf der anderen. Was in den meisten Kommentaren und Analysen aber fehlt, ist die klare Distanzierung von Ethnisierung. Noch immer wird signalisiert, fehlende Bildungserfolge und das Scheitern am Arbeitsmarkt hätten ihre Ursachen vor allem in einer ethnischen Herkunft und „Integrationsunwilligkeit“. So lässt sich bequem über „die Anderen“ debattieren.
Das vermeintliche und vermeidbare Scheitern der zweiten Generation ist kein kulturelles, sondern ein soziales und vor allem unser aller Problem. Es handelt sich um Nachkommen jener Menschen, die als (Hilfs-)ArbeiterInnen nach Österreich geholt wurden oder herkamen, um den sozialen Aufstieg zu verwirklichen, der im Herkunftsland nicht möglich war. Hat man den ersten EinwandererInnen signalisiert, dass sie nur vorübergehend willkommen sind, so hat man ihre Kinder jahrzehntelang bestenfalls ignoriert. Weder der ersten noch der zweiten Gruppe wird der soziale Aufstieg in Österreich leicht gemacht. Wir leben in einer sozial undurchlässigen und konservativen Gesellschaft, die keine AufsteigerInnen mag, und in der soziale Solidarität schwindet. Verfehlte und lange Zeit kaum vorhandene Integrationspolitik tat das Ihre dazu.
Wünschenswert wäre eine politische und mediale Debatte, die die richtigen Fragen stellt und die Probleme der zweiten Generation nicht unter der Prämisse der „Integrationsbereitschaft“ betrachtet. Ihre Probleme, aber auch ihre Zweisprachigkeit und alle Facetten ihrer Identität sind längst Teil unserer Gesellschaft. Ihre Zukunft ist unsere und darf nicht in parteipolitischen und ideologischen Grabenkämpfen gefährdet werden.