Polizist und Prediger
Oberstleutnant Josef Böck ist Polizei-Insider und Vereinsobmann
von „Fair & Sensibel – Polizei und Afrikaner“. Das Portrait eines
Grenzgängers, der polarisiert. TEXT: CLARA AKINYOSOYE
Um ein Haar wäre Josef Böck Priester geworden, ein Mann Gottes mit allem was dazu gehört. Gerade das was nicht dazugehört – Ehe und Kinder – waren mit ein Grund, warum sich Böck schließlich gegen das Priesterseminar entschied. Angemeldet war der damals 18-jährige Jüngling aus Schützenhofen im Weinviertel jedenfalls schon. Bei einem freiwilligen Jahr in den Reihen des Bundesheers entschließt sich Böck 1976 schließlich Polizist zu werden. Er wird Streifenpolizist, bildet dann ein Jahr lang Polizeipraktikanten aus. Böck durchläuft alle möglichen Abteilungen: Kriminalpolizei in der Donaustadt, Staatspolizei im Einsatz zur Bekämpfung des Terrorismus. Böck wird Offizier und ist anschließend bei der Staatspolizei für Jugendbandenkriminalität zuständig. Nächste Stationen: Kripochef in Hietzing, dann in Floridsdorf, Tatortchef in Wien, Leiter des Referats für Minderheitenkontakte. Dazwischen – im Jahr 2000 – wird Böck Obmann des Vereins „Fair und Sensibel – Polizei und Afrikaner“.
Der Verein wurde gegründet, um für Begegnungen zwischen PolizistInnen und Menschen mit afrikanischen Wurzeln in Österreich zu sorgen, die nicht durch Amtshandlungen geprägt sind. Böcks Job besteht darin „zu präsentieren und zu vernetzen“, erklärt er selbst. Wer Böck sucht, findet ihn meist bei Podiumsdiskussionen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, wo er hauptberuflich kommuniziert. Das kann der Niederösterreicher gut. Oberstleutnant Böck aka Sepp aka Beppi ist schnell beim Du-Wort und bald beim Wein. Er nimmt kein Blatt vor dem Mund. Er lässt sich von niemandem die gute Laune nehmen, sagt Böck. Deshalb scherzt er unentwegt. Das kann auch irritieren, wenn etwa Ethnic Profiling oder Diskriminierung zur Diskussion stehen. Seinen Kollegen hält der Polizist aber solidarisch die Stange. „Es gibt kein Rassismusproblem innerhalb der Polizei“, insistiert Böck. Ein Polizist habe nichts gegen einen Afrikaner, nur weil er schwarz ist, sondern weil er sich von schwarzen Drogendealern „verarscht fühlt“. Aber Böck ist ein Insider. Er weiß sehr genau, wie es im Polizeiapparat aussieht. Er leugnet nicht, dass Polizisten auch über die Stränge schlagen, mitunter die Kontrolle verlieren, Vorurteile haben und in schwarzen Menschen oft Drogendealer orten. Dass Aggressionen innerhalb der Polizei durchaus hochkochen können, bestätigt er mit seiner eigenen Biografie. „Ich habe als Kripochef in Floridsdorf ein derartiges Aggressionspotenzial gehabt. Nicht nur gegen Afrikaner, auch andere Gruppierungen. Wenn du tagtäglich mit jugoslawischen Wohnungseinbrechern oder polnischen Autoeinbrechern zu tun hast, hast du irgendwann Aggressionen, die fatal sind.“ Und auch er selbst habe nicht immer die Menschenrechte von Verdächtigen geachtet. „Alles Geschichte“, sagt Böck. Heute hat er afrikanische Freunde und Kollegen. Böck ist zuversichtlich: „Begegnung im geschützten Rahmen“ sei die Lösung. Der Polizist beschreibt sich selbst als Grenzgänger. Nicht zuletzt weil er für Vereinsprojekte seine Lebensversicherung als Bonität zur Verfügung gestellt hat. Er glaubt eben daran, dass die Arbeit von „Fair und Sensibel“ Sinn macht.
Wenn Böck etwa die Entlassung der Polizisten, die Bakary J. in einer Lagerhalle gefoltert haben, kritisiert, dann polarisiert er. Sie seien für ihren „massiven Übergriff und schlimmen Fehler“ ohnehin straf- und dienstrechtlich verfolgt worden. Hier hat Böck erstmals kein Verständnis für die Polizei. Man solle sich intern lieber mit den Ursachen auseinandersetzen um solche „Fehlreaktionen“ zu verhindern. Ein Plädoyer hält der Vereinsobmann für die vielen „super integrierten“ Afrikaner. Lediglich 1.000 bis 2.000 seien im Drogenhandel tätig. Und wehe dem, dem Böck begegnet, dem sagt er: „Dich schickt der Teufel. Geh zurück, wir brauchen dich hier nicht!“ Dass er den Leuten diese Worte ins Gesicht sagt, gibt Böck unumwunden zu. Der Predigt eilt aber keine Absolution hinterher. Böck ist schließlich Polizist und nicht Priester geworden.