„Strategie-Outing“
Die Vorstandsmitglieder von SOS Mitmensch über eigene Perspektiven
MICHAEL GENNER: Geschäftsführer von Asyl in Not
Ich bin seit 1993 Vorstandsmitglied von SOS Mitmensch und seit 1989 Rechtsberater im Asylverfahren: zuerst beim Flughafensozialdienst, seit 1993 bei Asyl in Not, seit 2004 als Obmann dieser Organisation.
Unter meiner Leitung ist Asyl in Not zur Speerspitze vieler Aktionen gegen das herrschende Unrecht geworden. SOS Mitmensch hat mir dabei stets als Transmissionsriemen gedient. 1995, als wir Löschnak zum Sturz verhalfen. Und 2004 in der Kampagne gegen
Strasser, der uns die Erstabschiebestellen beschert hatte und in Traiskirchen Menschenjagden auf Flüchtlinge betrieb. Damals riefen SOS Mitmensch und Asyl in Not dazu auf, Flüchtlinge zu verstecken. Strasser zeigte daraufhin die Vorsitzende von SOS Mitmensch, Nadja Lorenz, wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze an. Das brach ihm politisch das Genick ... Nach massiven Protesten trat er zurück. Auch gegen das Fekter’sche Fremdenunrecht zogen SOS Mitmensch und Asyl in Not gemeinsam ins Feld. Eine Demonstration im April 2011 hatte Erfolg: Die „Lagerhaft“, mit der Fekter die Flüchtlinge vom Zugang zur Rechtsberatung abschneiden wollte, kam zu Fall. Sie ist „totes Unrecht“. Ein Beweis, dass sich Demonstrieren lohnt.
Das sind Beispiele einer gelungenen strategischen Kooperation, in der SOS Mitmensch ein breiteres bürgerlich-liberales Publikum anspricht, während Asyl in Not die Rolle des kleinen, wendigen Angreifers übernimmt. So soll es auch im kommenden Wahljahr 2013 sein. Oh je! Verrate ich jetzt unsere geheimste Strategie? Macht aber gar nichts. Ich bin immer für Transparenz. In diesem Sinne: Auf weitere 20 Jahre!
HANS FRUHMANN: Selbständiger Unternehmens- berater und Trainer im Bereich Personalentwicklung
Warum bin ich bei SOS im Vorstand? SOS Mitmensch ist seit nunmehr 20 Jahren ein überparteilicher, aufmerksamer und verlässlicher Wächter gegen Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten in unserer Gesellschaft. Wir bekommen momentan in vielen Teilen Europas vor Augen geführt, wie schnell in wirtschaftlich unsicheren Zeiten Nationalismus und Ausgrenzung von Menschen, die sich nicht wehren können, wieder an Kraft gewinnen. Und gerade Österreich hat in seiner Geschichte immer wieder gezeigt, wie anfällig unsere Gesellschaft für negative Entwicklungen dieser Art ist. SOS Mitmensch hat in den vergangenen 20 Jahren wesentlich mitgeholfen, dass Behörden inhumane Vorfälle nicht unter den Tisch kehren konnten, sondern hat sie öffentlich angeklagt und nicht lockergelassen. In Österreich sind Diskriminierungen immer noch legal möglich, die in anderen europäischen Ländern längst verboten sind. Ich bin auch überzeugt davon, dass aufgrund der ungerechten Wohlstandsverteilung auf der Welt und der zunehmenden Steigerung von Rohstoffpreisen die Zuwanderung aus wirtschaftlicher Not heraus nach Europa weiterhin ansteigen wird. Daher braucht es Organisationen wie SOS Mitmensch, die dafür kämpfen, dass Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, eine menschliche Behandlung bekommen, und immer wieder daran erinnern, dass dies eine moralische Pflicht unserer Wohlstandsgesellschaft ist. Und weil ich an all das glaube, bin ich im Vorstand von SOS Mitmensch.
Romy Grasgruber: Mitinitiatorin der Lichterkette 2009, arbeitet bei der Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen (IGO)
Ein von öffentlichen Geldern unabhängiger Verein wie SOS Mitmensch kann lautstark und tatkräftig für die Einhaltung der Menschenrechte eintreten, zur Arbeit staatlicher Institutionen oder politischer Parteien Stellung nehmen, ohne durch Abhängigkeiten in seinen Forderungen oder seiner Kritik eingeschränkt zu werden. Diese Stärke hat SOS Mitmensch, gemeinsam mit der fachlichen Expertise und Kompetenz seiner MitarbeiterInnen, seines Vorstands sowie der Hilfe zahlreicher UnterstützerInnen, über die letzten 20 Jahre zu einer der wichtigsten Pressure Groups für Menschenrechte in Österreich gemacht. Wie gut sich inhaltliche Unabhängigkeit und Kompetenz ergänzen, wird in aktuellen Aktivitäten wie der Gründung eines alternativen „unabhängigen ExpertInnenrats für Migrations-, Integrationsund Gleichstellungsfragen“ deutlich. Er wird eine von vielen Initiativen sein, bei denen wie schon öfter in der Vergangenheit – z. B. beim Thema Bleiberecht oder Polizeigewalt – Impulse für eine den Menschenrechten verpflichtete Politik gesetzt werden. SOS Mitmensch orientiert sich an einer Welt, wie sie sein sollte. An einer Welt, in der es Organisationen wie sie selbst eigentlich nicht bräuchte, da die Würde und Menschenrechte aller darin tatsächlich unangetastet blieben. Unterstützenswert, oder?
SIBYLLE SUMMER: Vorstandsmitglied des Republikanischen Clubs
Als im Jahr 1992 die Rechtsaußenpartei FPÖ ein Volksbegehren unter dem Titel „Österreich zuerst“ mit einer Vielzahl von äußerst restriktiven und fremdenfeindlichen Maßnahmen für Februar 1993 angekündigt hatte, formierte sich breiter Protest. Das Ziel war, Stoppschilder und einen „Cordon sanitaire“ zur Eindämmung der grassierenden fremdfeindlichen Seuche zu errichten.
Ein breites Bündnis unter der Initiative von Friedrun und Peter Huemer, André Heller, Willi Resetarits, Josef Haslinger, Helmut Schüller, Rudolf Scholten, Peter Pilz, Peter Kreisky, Daniel Charim, Milli Segal, Eva Petrik, Ruth Steiner, Martin Schenk, Silvio Lehmann, Niki Kunrath u. v. m. mit zahlreichen KünstlerInnen, Intellektuellen, GewerkschafterInnen und Kirchenvertretern formierte sich unter der neu gegründeten und von André Heller benannten Plattform „SOS Mitmensch“, um die größte zivilgesellschaftliche Kundgebungen der 2. Republik, das Lichtermeer am 23. 1. 1993, zu organisieren. Der Republikanische Club – Neues Österreich mit u. a. Silvio Lehmann, Peter Kreisky und mir – als damals noch junges Vorstandsmitglied – organisierte eine der Auftaktbühnen, die Kunstund Kulturbühne vor der Oper. Sternförmig zog dann eine nicht enden wollende Menge von den Auftaktbühnen zur Abschlussbühne am Wiener Heldenplatz, um ein beeindruckendes Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen. Das kurzfristige Ziel, dem xenophoben Volksbegehren einen beachtlichen Dämpfer zu versetzen, gelang. Doch der Glanz des Kerzenscheins erlosch danach relativ rasch. In den Folgejahren wurden die Fremdenrechtsund Aufenthaltsgesetze kontinuierlich verschärft. Gesetze statt Hetze, lautete das Motto. Dennoch, es entstand damals etwas, das bis heute wirkt. Ein Bewusstsein gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Aus der Plattform SOS Mitmensch wurde eine Institution, die seit 20 Jahren beharrlich Missstände aufzeigt und zur Zivilcourage ermuntert. So verleiht SOS Mitmensch beispielsweise jährlich den Ute Bock Preis für Zivilcourage. Zahlreiche Vereine und Initiativen gegen Xenophobie und zur Stärkung der Rechte von MigrantInnen und Asylsuchenden haben sich seither gegründet.
MONA SINGER: ist a.o. Professorin am Institut für Philosophie
Ich bin seit 2004 Vorstandsmitglied von SOS Mitmensch. Martin Schenk hatte die Idee, mich dafür anzuwerben. Ich hatte zunächst einige Zweifel, ich hatte ein vages Bild von dieser Organisation und wusste nicht, ob das der Ort ist, mein antirassistisches und feministisches Interesse vom philosophischen Kopf auf die politischen Füße zu stellen. Ich dachte eher skeptisch an die Geburt von SOS Mitmensch aus dem Lichtermeer als eher konfuse und politisch recht heterogene „Allianz der Vernunft“. Und ich wusste wenig über das weitere Wirken der Organisation. Dann habe ich sie kennen gelernt, die Organisation und die Wirkenden, die Angestellten im „Büro“ wie Philipp Sonderegger, die die politische Arbeit in der Praxis leisteten (und deren politisches Engagement nach wie vor x-mal höher ist als das kleine Gehalt, das sie für diese Arbeit beziehen), Ute Bock und die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder wie Max Koch oder Michi Genner, und die damals neue Vorsitzende Nadja Lorenz. Allesamt KämpferInnen, die ich sehr zu schätzen gelernt habe, die sich nicht damit abfinden wollen, dass wir so regiert werden, dass Rassismus salonfähig ist, Klassengegensätze verstärkt werden und Menschenrechte in den kleinen nationalistischen Denkstuben der PolitikerInnen keinen Platz finden. Die politisch aufklärerische, antirassistische Arbeit von SOS Mitmensch ist höchst mühselig, und es war über die Jahre immer wieder auch deprimierend, sich mit einer fortwährenden nationalistischen Politik und ihren RepräsentantInnen auseinandersetzen zu müssen. Aber viel schlimmer wäre es wohl, wenn es SOS Mitmensch nicht gäbe. Insofern: Ein Hoch auf SOS Mitmensch als 20-jähriger Stachel im rot-weiß-roten Fleisch von Chauvinismus und Nationalismus, Rassismus und Borniertheit! Solidarischen Dank an das aktuelle Büro!
MAX KOCH: Stellvertretender Obmann von SOS Mitmensch und Vorstandsmitglied der Österreichischen Liga für Menschenrechte
Goethes angeblich letzte Worte waren „Mehr Licht“. Das Lichtermeer gegen das Ausländervolksbegehren der FPÖ war ein Zeichen in diesem Sinn.
SOS Mitmensch versteht sich als Motor und „Transmissionsriemen“ der Zivilgesellschaft. Der Verein sieht seine Aufgaben im Sinne der Aufklärung, die offensichtlich immer wieder neue Impulse braucht, um nicht vollends stecken zu bleiben oder auf eigentümliche Weise zu versanden. Den Menschenrechten und der Aufklärung verpflichtet, arbeitet SOS Mitmensch auf der Suche nach Allianzen mit anderen engagierten Einzelpersonen, NGOs und Institutionen, die den zivilgesellschaftlichen Prozess im Sinne von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit weiterentwickeln. Im Chaos der neuen Unübersichtlichkeit versucht SOS Mitmensch mit anderen auf die wesentlichsten Grundvoraussetzungen einer lebenswerten Welt zu insistieren: Menschenrechte, Gleichheit, Grundrechte.
Wo Menschen durch gesellschaftliche Fehlentwicklungen unter Druck geraten, sei es in menschenrechtlicher, in ökonomischer oder sozialer Hinsicht, wo politisch inkorrekt gehandelt wird, versucht SOS Mitmensch Öffentlichkeit herzustellen. Vorurteile und vorurteilsbelastete Entwicklungen werden aufgezeigt, wo Menschen zu Sündenböcken gestempelt und in ihren Menschenrechten eingeengt und beschränkt werden. Die Stimme von SOS Mitmensch mag leise sein, wird aber immer dann versuchen, sich dort so lautstark wie möglich zu Wort zu melden, wo Politik, Wirtschaft und mächtige Player der Globalisierung die Menschen nur als Verschubmasse ihrer Interessen sehen. Der unbestechliche Blick von SOS Mitmensch ist vielen Parteien und Politikern eine oft störende Stimme im politischen Alltag. Die Akteure von SOS Mitmensch haben nicht ihre persönliche Karriere im Auge, sondern sind den Zielen von SOS Mitmensch auch unter ökonomischer Knappheit verpflichtet und werden oft als „Gutmenschen“ verhöhnt und abqualifiziert. In diesem Sinn muss SOS Mitmensch weitermachen.
MAHSA GHAFARI: Studentin und Assistentin der Anwaltskanzlei Ecker, Embacher und Neugschwendtner
Wir können uns Locken in die Haare drehen und sie dann mit Spray fixieren. Wir können uns noch die Nägel lackieren, sonst würden wir uns vielleicht blamieren. Wir können „Mensch ärger’ dich nicht spielen“, auf den Tisch hauen und trotzdem verlieren. Wir können klatschen, singen und springen, alles für die Ehre, wenn’s sein muss, auch aus der Stratosphäre. Wir können weitergehen, wegschauen und es „nach vorn schauen“ nennen, auch so tun, als würden wir uns nicht kennen. Wir können uns Namen geben, „Gutmensch“, „Öko“, „Fascho“, „Nazi“, und wo bleibt dann das Fazit? Diskussion, Initiative und Debatte, weil ich immer schon Interesse daran hatte. Chancengleichheit ist nicht gegeben, sondern braucht Forderungen. Gleichberechtigung ist ein Ziel, aber zu machen ist da noch viel. Was bedeuten uns Menschenrechte? „Ich hab meine, und andere schlechte?“ Warum mein Engagement im SOS-Mitmensch-Vorstand? Weil ich es einfach wichtig fand. Anstatt mich zu ärgern über Rassismus und Ungerechtigkeit, will ich mitarbeiten, egal an welcher Schwierigkeit. Ja, SOS Mitmensch ist wunderbar. Und Ihre Spende ist absetzbar!
NADJA LORENZ: Vorsitzende von SOS Mitmensch und Menschenrechtsanwältin
Ich kannte SOS Mitmensch als eine Organisation, die sich für die meines Erachtens richtigen Anliegen einsetzt und überdies eine verbindende Funktion zwischen einzelnen anderen NGOs eingenommen hatte, was ich für sehr wichtig erachte. Deshalb habe ich die Einladung, den Vorsitz des Vereins zu übernehmen, gerne angenommen. Was mir wichtig ist: neben dem Sprecher des Vereins ein gewichtiges und fachlich versiertes Sprachrohr zu sein. Für die Zukunft verspreche ich, dass wir uns weiterhin zu Themen wie Integration, Asylrecht, Antirassismus lautstark zu Wort melden und unseren Beitrag leisten werden, um unsere Gesellschaft zu einer offeneren und weniger ausgrenzenden Haltung zu bringen.