Das Gegenteil bewirkt
Am AMS fragt die Betreuerin ihre Klientin, wozu sie studieren wolle. Es gäbe doch Jobs für sie, „Ausländerjobs – Putzen“. Heute bereitet sich die junge Somalierin auf die Studienberechtigungsprüfung vor. PORTRAIT: NASILA BERANGY
Ich bin dreifach vorbelastet“, sagt die 20-jährige Somalierin Xalimo lachend. Damit meint sie ihr Kopftuch, ihre dunkle Hautfarbe und ihre Herkunft. Es sei eben schwer, sich in Österreich zu integrieren. Optimistisch ist sie dennoch, viel Glück habe sie im Leben gehabt. Seit drei Jahren lebt sie nun mit ihrer Familie in Wien. Eigentlich heißt sie auch gar nicht Xalimo. Ihren richtigen Namen will sie in der Zeitung lieber nicht lesen.
Die Entscheidung, Somalia zu verlassen, fiel im Jahr 2007 – ein letzter Ausweg für die Familie. Ihr Vater besaß eine florierende Werkstatt. Anlass genug für Islamisten, zwei-, dreimal im Monat Schutzgeld zu erpressen. Anfangs bezahlte er – als der Mann, der eine zehnköpfige Familie zu versorgen hatte, nicht mehr konnte, nahmen sie ihn fest. Nun sollte die Mutter bezahlen, um ihren Mann wieder lebend zu sehen. Sie verkaufte ihren Schmuck und erhielt nach drei Monaten ihren Mann zurück. Schon zuvor wechselte die Familie aus Angst ihr Zuhause, die Kinder durften es kaum verlassen. Die Mutter, eine Lehrerin, unterrichtete sie fortan selbst. Islamisten, sagte sie, seien immer auf der Suche nach Kindersoldaten. Als der Vater auf freiem Fuß war, wussten alle, dass er das Land jetzt verlassen muss.
Der Vater hat in Schweden eine Schwester, doch schon in Wien flog er mit seinem gekauften Reisepass auf. Während die Familie ihn in Schweden vermutete, war er hier in Schubhaft. Erst nach zwei Monaten konnte er sie über seinen Aufenthaltsort informieren. Also beantragte er hier Asyl, nach zwei Jahren hielt er einen positiven Bescheid in Händen. Endlich war es möglich, dass die Jahr später bekamen auch sie einen positiven Asylbescheid und sind somit Konventionsflüchtlinge. Als schikanös hat die junge Frau die DNATests in Erinnerung. Pro Person kostet der Test 200 Euro. Die Familie hat neun Kinder. Für die enorme Summe musste man selbst aufkommen. Auch Fingerabdrücke wurden in Traiskirchen genommen, freilich nur um zu prüfen, ob eh niemand in einem anderen EU-Land registriert ist. Erstaunlich ist, wie gut Xalimo die Sprache beherrscht. Nach drei Jahren spricht sie fast akzentfrei Deutsch. Ihre Deutschlehrerin ermutigte sie, zu studieren. Xalimo will Pädagogin werden. Ihre AMS-Beraterin reagierte darauf barsch: „Wozu studieren?“ Auf die Frage nach Jobmöglichkeiten wurde die Arbeitsvermittlerin deutlicher: „Ausländerjobs, Putzen.“ Damals, sagt Xalimo, war ihr nicht klar, wie diese Worte gemeint waren. „Sie wollte mich demotivieren, aber sie hat genau das Gegenteil bewirkt.“
Nun bereitet sie sich für die Studienberechtigungsprüfung vor. Nebenbei arbeitet sie in einem islamischen Kindergarten. Mit anderen SomalierInnen gründete sie den Verein Somal 21. Die 21 steht für die Anzahl der Jahre, die schon Krieg im Land geführt wird. Der Verein will aber auch positive Seiten zeigen. In einer Kooperation mit dem Kindermuseum Dschungel lernten Kinder die Geschichte der NomadInnen, kulturelle Tänze und die Mode Somalias lernen. Der Verein bietet AsylwerberInnen auch Beratung an. Niemandem, sagt Xalimo, dürfen die Chancen auf eine Zukunft verweigert werden. Zwei Tage lang demonstrierten sie vergangenen Oktober vor dem Parlament, um auf die Schwierigkeiten der SomalierInnen aufmerksam zu machen. Etwa gegen die Willkür bei Asylverfahren. Das zeige sich anhand der Sprachidentifizierungen übers Telefon. Ein Gutachter stellt telefonisch fest, ob die Person am anderen Ende der Leitung tatsächlich aus dem angegebenen Land stammt. Xalimo hält das bei so einer schweren Sprache mit vielen Dialekten für schlicht absurd. Die Mehrheit der SomalierInnen, sofern positiv beschieden, erhält subsidiären Schutz. Der Bescheid gilt jeweils zwölf Monate. Arbeit und Wohnung zu finden ist dadurch schwierig. „Wer will schon eine Mitarbeiterin, die nach zwölf Monaten weg ist?“
Kontakt: Somalische Flüchtlinge in Österreich, Amerlinghaus, Stiftgasse 8, 1070 Wien