Olivera Stajic über die Verbreitung von faschistischem und rechtsextremen Gedankengut unter Jugendlichen der zweiten Generation
Anders gesagt: Nationalismus mit Migrationshintergrund
Unter den Jugendlichen der zweiten Generation verbreitet sich faschistisches und rechtsextremes Gedankengut unbeobachtet. OLIVERA STAJIC ÜBER DIE ROLLE DER MEDIEN, IN EINER PLURALISTISCHEN DEMOKRATIE FÜR DIVERSITÄT ZU SORGEN. Illustration: Petja Dimitrova
Spaziert man durch Migrantenbezirke in Wien oder schaut sich in öffentlichen Verkehrsmitteln etwas genauer um, entdeckt man Graffitis und Schmierereien, die nicht auf den ersten Blick einzuordnen sind. Da wäre zum Beispiel das Ustascha-Zeichen (ein U mit einem Kreuz oder der kroatischen Flagge in der Mitte) oder auch das serbische Kreuz mit vier S (kyrillisch als C geschrieben) sowie die drei Halbmonde der türkischen rechtsextremen NationalistInnen. Diese Spuren zeugen von radikalen Tendenzen bei einigen Einwanderergruppen, insbesondere unter den Jungen der sogenannten zweiten Generation. Obwohl die meisten von ihnen die vergangenen und aktuellen Konflikte aus den Herkunftsländern ihrer Eltern nur aus Erzählungen oder den Medien kennen, „schmücken“ sie nicht nur Wien, sondern auch oft sich selbst – auch in Form von Tattoos – mit nationalistischen und faschistischen Symbolen. Sie jubeln dem kroatischen Rocksänger Thompson zu, der in seinen Liedtexten die faschistischen UstaschaTruppen hochleben lässt und Serben erneut in das Konzentrationslager Jasenovac wünscht. Marko Perkovi gab sich übrigens den Künstlernamen „Thompson“, nach der Marke der Maschinenpistole, die er im Jugoslawienkrieg verwendet hat. Jahrelang durfte er in Österreich auftreten, wo er große Popularität genießt, genauso wie in der kroatischen Diaspora weltweit. 2008 wurden seine Konzerte in Deutschland, der Schweiz und Österreich oftmals abgesagt. Es hatte sich herumgesprochen, welches Gedankengut Thompson verbreitet. Auch die serbische Diaspora wurde im Zuge der Balkankriege radikalisiert. Die exjugoslawischen Gastarbeitervereine spalteten sich Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in neue „patriotische“ Vereinigungen. GastarbeiterInnen waren eine beliebte Zielgruppe neuer nationalistischer Parteien in der alten Heimat – sie wurden um Spenden gebeten, die nicht selten in Waffen investiert wurden.
Ein etwas neueres Phänomen ist das Werben der rechtspopulistischen FPÖ um die serbische Community in Österreich. In der emotional aufgeladenen Kosovo-Debatte stellten sich Strache und Co. auf die Seite der SerbInnen. Die nichtchristlichen Kosovo-AlbanerInnen sind das gemeinsame Feindbild. Im Wahlkampf tourte Strache durch die Lokalmeile in der Ottakringer Straße. Doch nicht nur die Kriege in Ex-Jugoslawien bewegen die jungen MigrantInnen, auch der türkisch-kurdische Konflikt wurde in der Diaspora ausgetragen. Die türkischen UltranationalistInnen der „Grauen Wölfe“ machen auch in Österreich Stimmung gegen ethnische und religiöse Minderheiten.
Das Wirken faschistischer und rechtsextremer Ideologien aus den exjugoslawischen Ländern und der Türkei wird kaum thematisiert. ExpertInnenwissen sollte deshalb in Schulen und Jugendorganisationen verstärkt vermittelt werden.