Asylpolitik: Befreiung aus dem Niemandsland
Welche Konsequenzen aus den Flüchtlingsprotesten in Österreich und anderen europäischen Ländern gezogen werden müssen. Kommentar: Alexander Pollak
Dass Flüchtlinge in Europa Protestcamps errichten und in Hungerstreik treten, ist nicht das Resultat von Instrumentalisierung. Es ist das Resultat einer Politik, die Menschen in Ausnahmesituationen treibt. Jährlich endet für tausende Flüchtlinge der Versuch, nach Europa zu gelangen, tödlich. Von jenen, die es schaffen, landen viele in einem rechtlosen Niemandsland. So wie auch die Flüchtlinge aus der Votivkirche.
Anstatt sich Lösungen für diese Menschen zu überlegen, reagiert die verantwortliche Politik mit noch schärferer Abwehr. Die Konsequenz: Noch mehr Menschen sterben an den europäischen Außengrenzen. Und auf diejenigen, die es nach Europa schaffen, warten oftmals Freiheitsentzug, soziale Verelendung und ein Asylverfahren, bei dem sie von Anfang an keine Chance haben.
Der Rückzug der Politik auf den Stehsatz, Gesetz sei Gesetz, ist falsch. Gerade der Asylbereich zeigt auf, wie dramatisch Gesetze über die letzten Jahrzehnte verändert wurden, wie unterschiedlich sie ausgelegt werden. Österreich kann viel für die Veränderung der Situation von Flüchtlingen tun.
Viel würde sich verbessern, könnten Flüchtlinge in Österreich ein möglichst normales Leben führen. Dazu müssten von der Politik geschaffene Barrieren beseitigt werden.
Schikanöse Freiheitsbeschränkungen sollten aufgehoben werden. Es sollte einer in Traiskirchen untergebrachten Person möglich sein, zu einem Beratungsgespräch nach Wien zu fahren. Arbeitsverbote sollten beseitigt werden. Wer hier lebt, sollte auch hier arbeiten dürfen. Der Besuch von Schulen, Sprachkursen und Ausbildungen sollte ermöglicht und gefördert werden, auch dann, wenn Asylsuchende schon über 15 Jahre alt und somit nicht mehr schulpflichtig sind.
Bei der Auswahl ihrer Unterbringung sollten Asylsuchende angehört und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Es macht keinen Sinn, Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, an einem Ort unterzubringen, wo es keinerlei Angebot dafür gibt, und es macht auch keinen Sinn, jemanden in Vorarlberg unterzubringen, der Bekannte in der Steiermark hat.
Die Grundversorgungsleistungen sollten Asylsuchenden sowohl in betreuten Einrichtungen als auch im Rahmen einer selbständigen Unterkunftssuche ein würdiges Leben ermöglichen. Spezielle Betreuungsbedürfnisse, etwa von Kindern mit Gewalterfahrung, sollten berücksichtigt werden.
Darüber hinaus braucht es zügige, aber vor allem faire Asylverfahren, bei denen Asylsuchende nicht von vornherein verloren haben, wenn sie an den falschen Asylsenat geraten. Es muss garantiert sein, dass Asylsuchende in allen Instanzen angehört werden. Die 2008 erfolgte Abschaffung des Verwaltungsgerichtshofs als letzte Instanz hat Verfahren beschleunigt, allerdings um den hohen Preis der Einschränkung von Rechtsstaatlichkeit.
Für all jene, bei denen die Verfahren lange dauern, braucht es ein Bleiberecht, das dafür sorgt, dass Menschen, die hier Fuß gefasst haben, auch hier bleiben können. Die Praxis, Personen mit negativem Asylbescheid, die aber nicht abgeschoben werden können, durch Entzug der Grundversorgung, Verweigerung des Status als Geduldete oder gar Inschubhaftnahme für ihr Noch-immer-Hiersein zu bestrafen, muss gestoppt werden.
Nicht zuletzt sollte auch das unwürdige Menschen-Pingpong, bei dem Flüchtlinge zwischen EU-Ländern hin- und hergeschoben werden, ein Ende finden. Das zu tun bedarf des Einsatzes Österreichs, aber auch einer gesamteuropäischen Initiative.