Durchgesickert
Das Sozialministerium gibt einen für AsylwerberInnen wichtigen Erlass über Lehrlingsausbildung heraus, will aber nicht, dass er publik wird. Demokratiepolitisch ist das fatal. Kommentar: Alexander Pollak, Illustration: Petja Dimitrova
Ministerien haben Macht. Das ist gut so, schließlich besteht ihre Aufgabe darin, Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen. Auch deshalb ist es wichtig, dass sie transparent arbeiten. Gegebenenfalls zur Kritik an ihrer Arbeit, aber auch zur Kontrolle. Wie wichtig das ist, zeigte sich kürzlich am Beispiel des Innenministeriums und dessen undurchsichtiger Vergabepraxis von Beratungs- und Dienstleistungsaufträgen. Auch das Umweltministerium geizte mit Informationen: dort verweigerte man Daten über Pestizide. Die Anfragebeantwortungen verschiedener MinisterInnen genießen den Ruf, so minimalistisch zu sein, dass es demokratiepolitisch bereits problematisch wird.
Öffentlichkeit wird über Erlässe...
Richtig bedenklich wird es jedoch, wenn die Öffentlichkeit über relevante politische Entscheidungen schlicht überhaupt nicht informiert wird. Am 18. März dieses Jahres traf Sozialminister Rudolf Hundstorfer die zwar nicht bahnbrechende, aber doch wichtige Entscheidung, Asylsuchenden die Türe zur Lehre einen Spalt weiter zu öffnen als bisher. Er wies das Arbeitsmarktservice mittels Erlass an, nicht mehr nur unter 18-jährige Menschen unter gewissen Voraussetzungen in Lehrberufen zuzulassen (dort, wo Lehrlingsmangel herrscht), sondern alle, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ein notwendiger Schritt, denn viele Asylsuchende verlieren auf der Flucht und in den Flüchtlingszentren wertvolle Bildungs- und Ausbildungsmonate und sind dementsprechend erst später in der Lage, eine Lehre zu starten.
...nicht informiert
Das Interesse des Sozialministeriums, die Betroffenen bzw. die Öffentlichkeit zu informieren besteht allerdings offenbar nicht. Es gab keine Pressemitteilung, keine Veröffentlichung des neuen Erlasses auf der Website des Ministeriums, dafür aber so etwas wie Flüsterbotschaften an einen kleinen Kreis von Organisationen. Asylsuchende, die in Kontakt mit diesen Organisationen stehen, haben Glück, alle anderen erfahren nichts von ihrer möglichen Chance.
Infos müssen erst "durchsickern"
Aber auch die informierten Einrichtungen stellt das geheimtuerische Sozialministerium vor ein Dilemma. Zu offensiv sollten sie die ihnen „zugespielte“ Information nicht verbreiten, sonst dreht ihnen, so deren Befürchtung, der Minister beim nächsten Mal den Informationshahn zu. So ist es zu erklären, dass etliche Wochen vergingen, bis die Nachricht über den neuen Erlass über Umwege doch noch in die Öffentlichkeit sickerte. Hätte „Der Standard“ nicht Wind vom Erlass bekommen und darüber berichtet, hätte es wahrscheinlich noch viel länger gedauert. Erst als die Information einmal raus war, schob das Sozialministerium eine Presseaussendung hinterher.
Information nicht mehr als Machtinstrument missbrauchen
Es geht aber auch anders. Im Finanzministerium werden sämtliche Finanzerlässe auf der Homepage veröffentlicht. Das schützt nicht vor schlechter Politik, aber es bewahrt davor, dass der Handel mit Information zu einem ministeriellen Machtinstrument verkommt, bei dem die Betroffenen und unsere Demokratie auf der Strecke bleiben.
Dieser Beitrag wurde in der #31 des MO-Magazin für Menschenrechte veröffentlicht