Olivera Stajic Nichts mit Nazi-Vergangenheit zu tun?
Wen geht österreichische Vergangenheit an?
Die zweite Generation kann sich aus dem Diskurs um die Nazi-Vergangenheit und Faschismus nicht herausnehmen.
Neulich saß ich bei einer Podiumsdiskussion und ließ mir von jungen Leuten der sogenannten zweiten Generation erklären, dass sie nichts mit der Nazi-Vergangenheit zu tun haben. Ihre Wurzeln liegen anderswo, also gibt es auch nichts aufzuarbeiten. Außerdem könne man von ihnen auch nicht erwarten, dass sie mit gewissen Begriffen, die aus dieser Zeit stammen, „sensibel umgehen“. Denn diese Vergangenheit sei eine Bürde, die von der „Mehrheitsgesellschaft“ allein zu tragen ist. Doch nicht nur Vokabular aus der Nazizeit, auch andere diskriminierende Begriffe seien ok – wenn man sie eben zur Selbstbezeichnung verwendet.
In beiden Fällen musste und muss ich widersprechen.
Faschistoides Gedankengut ist kein österreichisches Problem. Rassismus und Feindlichkeit gegenüber Anderen, gegenüber Minderheiten, sind auch unter MigrantInnen verbreitet. Zusätzlich zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus sollten also auch faschistische Bewegungen in den Herkunftsländern der MigrantInnen langsam in den Geschichtsunterricht einfließen. Seien es die Nazi-KollaborateurInnen im Zweiten Weltkrieg, die es in Ost- und Südosteuropa zuhauf gab, oder die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, oder der Genozid an ArmenierInnen – das alles kann und soll die hier lebenden Migrantenkinder interessieren. Verantwortungsvoller Umgang mit diesen Vergangenheiten könnte auch zu einem sensibleren Umgang mit gewissen Begriffen führen.
„Mischling“ wäre zum Beispiel so ein Begriff. Die Coverstory in der Aprilausgabe des Stadtmagazins Biber war den "Mischlingskindern" und ihrer "exotischen Schönheit" gewidmet. Auf der Website des Magazins kann man auch heute einen "Ethnien-Test" machen und raten, welche "Mischung" hinter den abgebildeten Gesichtern steckt. Mein Einwand, dass in der medialen Wirklichkeit Begriffe etwas sensibler eingesetzt werden sollen, wurden mit folgendem Argument abgeschmettert: Wenn sich MigrantInnen selbst so bezeichnen, dann sei das vollkommen in Ordnung.
Die zweite Generation bedient sich gerne der satirischen Umkehrung der an sich pejorativen Begriffe wie Tschusch, Ausländer und Schwabo. Diese Art von Selbstermächtigung ist sogar erwünscht und funktioniert in den meisten Fällen ganz gut. Was hingegen erschreckt, ist der Hinweis, man wisse nichts über die belastete Vergangenheit des Bergriffs „Mischling“; die Kritik wurde als humorloses Schwingen mit der PC-Keule abgetan.
Politisch unkorrekt, also locker und lässig zu sein, kann gerade in der Debatte um „Integration“ und die Herausforderungen einer immer vielfältiger gestalteten Gesellschaft ganz erfrischend sein. Die Gefahr, die ich hier sehe, ist nicht bloß die Verletzung gewisser Tabus (und sei es nur aus Unwissenheit). Es ist auch die Selbstexotisierung und somit die Einzementierung der Kategorien „wir“ und die „anderen“.