Neues von der Bock
RUBRIKEN. Von ihr kann man alles haben, nur kein Nein. Die Flüchtlingshelferin Ute Bock ist im wahrsten Sinn grenzenlos. Ihre Sozialarbeit: der ganz normale Wahnsinn. Alltag in Wien.
Transkription: Susanna Gartler
Frau Bock hat einen Sehnenriss in der Schulter. Plötzlich hat es einen Schnalzer gemacht, wie sie die Stufen hinuntergegangen ist. Dabei wollte sie sich nur aufstützen, weil ihr das Bein weh tut. Das Haus im 10. Bezirk wurde zwar tipptopp hergerichtet, Aufzug hat es aber keinen. Es gibt vier Stockwerke. Inzwischen wurde die Sehne in der Schulter angenagelt, aber sieben Wochen den Arm in einer Fixierung, das macht keinen Spaß. Die Papierstöße im Büro werden auch nicht von selbst kleiner.
Die Ausweis-Shredder
Mich hat ein Polizist angerufen, der meinte, warum den Leuten die Lagerkarte weggenommen wird. Das sei doch ein Blödsinn. Sag ich, das fragen Sie mich? Das würd ich selbst gern wissen. Den Asylwerbern wird ja bei Kontrollen öfter die sogenannte Lagerkarte weggenommen oder auch gleich zerrissen, wenn sie abgelaufen ist. Wenn dann jemand einen blauen Brief kriegt, eh oft von der Polizei, kann er ihn nicht mehr abholen, weil er keinen Ausweis mehr hat. Der Polizist hat gemeint, da sollte ich doch was tun dagegen. Sag ich ihm, was soll ich machen. Ich hab deswegen eh schon im Innenministerium angerufen und gesagt, was für ein Unsinn das ist. Denn selbst wenn die Lagerkarte nicht mehr passt, wenn er aus dem Verfahren draußen ist, ist doch sein Name, sein Geburtsdatum, sein Bild drauf. Dann kann er sich ausweisen. Im Computer sieht dann auch jeder gleich, wie der Verfahrensstand ist oder was sonst gesucht wird. Im Innenministerium hat man mir gesagt, man wird mich zurückrufen. Gehört hab ich nichts mehr.
Brauchen ein Treffen ...
Ich hab’ immer auch Menschen, die auf Matratzen hier schlafen. Wenn da in der Nacht jemand anläutet, will ich immer auch den Ausweis sehen. Ich will ja keinen Raubmörder unterbringen. Und ich möchte auch schauen, ob’s keine andere Möglichkeit gibt, wo der wohnen kann. Das Ganze ist aber ein schlechter Scherz, die Leute kommen ja gerade zu mir, weil sie die Einrichtungen alle rausschmeißen. Das ist die ärgste Frechheit. Und das wird schlimmer. Der evangelische Flüchtlingsdienst hat die Grimmgasse gesperrt. Die drei Häuser beim Arsenal, die einmal Obdachlosenheime waren, da gibt’s nur mehr eines. Ich telefonier am Abend oft zwei Stunden, dass ich für jemanden einen Platz find. Aber es sind einfach alle voll, es geht denen wie mir. Ich hab gemeint, jetzt sind die Wahlen vorbei, jetzt sollten wir ein Treffen machen, wo alle Beteiligten dabei sind. Wir müssten einen Katalog erstellen, mit allen Unterbringungsmöglichkeiten. Weil so kann es nicht weitergehen.
… für Unterbringung
Bei mir wohnen gerade ein paar junge Afrikaner, die gehören ja erst erzogen. Zu denen geh ich 20-mal rein und sag, gebt’s die Fiaß vom Tisch, die sind so zwischen 18 und 25 Jahre alt. Die fliegen in der Gegend herum, arbeiten dürfen sie ja nichts, gerade in dem Alter braucht man aber was, womit man sich beschäftigen kann. Da hinten ist die „Trost-Kaserne“, die steht leer. Im Parterre lagert das Bundesheer noch irgendwelche Gegenstände, aber alle anderen Räume sind leer. Die Kaserne wär für so einen Zweck eingerichtet, da kann man die Leute unterbringen und einen geregelten Tagesablauf machen. Um 8 ist wecken, um 9 ist Frühstück, um 10 Deutschkurs und um 13 Uhr Mittagessen. Und jetzt? Knotzen die Leute auf Matratzen herum, was sollen sie tun? Wenn ich sag’, bitte steh auf, dann steht er halt neben der Matratze. Der weiß ja nicht, wo er hingehen soll. Wir machen ja Deutschkurse, wir betreuen die Leute, aber bitte für die, für die wir Zimmer und Platz haben. Wir können das ja nicht auch noch für die anderen Einrichtungen übernehmen. Es gibt hier ein echtes Problem, dass man die Leute auf der Straße lässt, daran kann doch niemand ein Interesse haben.
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