Steuern in sichere Gewässer
DOSSIER. Sie sind Konzernchefin, Eigentümer oder Kreativbuchhalterin eines Unternehmens? Und Sie sind es leid, Ihren Gewinn mit der Finanz zu teilen? Dann helfen Ihnen vielleicht diese Beispiele auf die Sprünge.
Text: Stefan Kraft
Früher war alles besser. Der gut verdienende Österreicher mit Hang zur Steuerflucht konnte ein sorgsam behütetes Konto in der Schweiz eröffnen und sein Geld dort arbeiten lassen, statt es im Inland ohne Mehrwert an die Finanz zu verprassen. Besonders aufregend war es etwa, das Geld im Koffer an den in Vorarlberg stationierten GrenzbeamtInnen vorbeizuschmuggeln – und an den dortigen „Bargeldspürhunden“. Seit sich einige Herren besonders auffällig verhalten haben und CD-ROMs mit Steuerdaten in Umlauf kamen, ist der Schweiz-Urlaub vorläufig gestrichen. Denn das sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen, seit 1. Jänner 2013 in Kraft, sorgt dafür, dass von jedem Schweizer Konto eines österreichischen Steuerpflichtigen eine „Quellensteuer“ eingehoben wird, so er seine Kontodaten nicht ohnehin offenlegt. Deshalb würden die Steuern gar nicht flüchten können, wie auf Anfrage die Sprecherin des Bundesministeriums für Finanzen, Daniela Kinz, erklärt.
Allerdings sind die Schweiz-Abenteuer doch eher die Amateurliga der Steuerflüchtigen, wenn auch Präsidenten von Profivereinen darin mitspielen. Falls Sie also auch Ihre Abgaben vor aller Augen nicht bezahlen können, dann müssen Sie es nur möglichst kompliziert machen. Ob Sie sich selbst im Einzelfall auskennen oder nicht, ist dabei eher nebensächlich, solange Ihre Steuervermeidung durch nationales und EU-Recht gedeckt ist. Möglicherweise haben Sie von Google und Starbucks gehört, deren VertreterInnen im September 2013 vor das niederländische Parlament geladen wurden, um ihre niedrigen einstelligen Steuerquoten zu erklären. Die VertreterInnen gingen aber gar nicht hin, wozu auch? Ebenso wie die Chefs von IKEA, deren Modell der Steuervermeidung ohnehin viel besser funktioniert als jegliche Transaktion mit dem schwarzen Koffer.
Teure Töchter
Die bekannten Querulanten von ATTAC Deutschland haben in einem 32-seitigen Papier versucht, die Konzernstruktur von IKEA offenzulegen. Als UnternehmerIn mit einer Vorliebe zum Steuersparen müssen Sie aber nicht das komplette Pamphlet durchlesen, um sich Ideen zu holen. Es reicht, wenn Sie sich an das Fazit des Papiers über den Möbelkonzern halten: „Die tatsächliche Steuerquote dürfte (...) niedriger als 15 Prozent liegen.“ Wohlgemerkt für ein Gesamtkonglomerat, dessen einzelne Firmen so zahlreich sind, dass sie auf einer Powerpoint-Folie keinen Platz haben. Die Prinzipien, die IKEA anwendet, können Sie sich durchaus selbst zunutze machen. Erstens: Errichten Sie eine Stiftung, ob im Fürstentum Liechtenstein oder auf der Karibikinsel Curaçao ist mehr als wurscht, an beiden Orten müssen Sie wenig bis gar keine Steuern zahlen. Führen Sie Ihre Gewinne über Verrechnungen oder Ähnliches dorthin ab. Die Sache hat lediglich einen Haken, wie Gerhard Zahler-Treiber, österreichischer Ökonom und ATTAC-Vorstandsmitglied, zu bedenken gibt: „Bei Stiftungen benötigt man Vertrauen, denn man überlässt sein Geld der örtlichen Führung treuhändisch.“ Das sollte kein Problem sein, wenn Sie selbst die Führung in die Hand nehmen.
Zweitens: Gründen Sie Firmen im steuerschonenden (EU-)Ausland, wohin Sie die Markennamen für Ihre – zum Beispiel österreichischen – Firmen übertragen. Falls Sie nun Gewinne machen, sind Sie nun verpflichtet, Lizenzrechte an ihre Töchter zu bezahlen und können daher leider Gottes keine vollen Steuern im Inland leisten. Die Sache ist simpler, als sie sich anhört: „Es gibt unterschiedliche Steuersätze in den verschiedenen Staaten Europas. Und es herrscht Kapitalverkehrsfreiheit. Daher kann man ganz einfach sein Geld an eine Tochtergesellschaft in Irland transferieren, wenn man die Gesellschaft dort rechtmäßig etabliert hat“, erklärt der deutsche Wirtschaftsjournalist Lucas Zeise. Die Staaten Europas, so Zeise, umfassen nämlich auch die abhängigen Gebiete von Großbritannien und den Niederlanden. Bei Namen wie Cayman Islands und Jersey sollte es jetzt schon bei Ihnen klingeln.
Die geniale Idee mit den Lizenzen hat auch der Eigentümer der Modekette Zara, der Konzern Inditex, aufgegriffen: Eine holländische Tochter verwaltet den Markennamen und kassiert dafür möglichst viel Geld von den Geschäften in diversen europäischen Ländern, sodass diese bei der Finanz nicht mit allzu hohen Zahlungen auffallen. Steuerersparnis laut Bloomberg: 240 Millionen Euro seit 2009. Ziemlich lässig.
Allzu große Sorgen, dass in Zukunft solche Konstruktionen nicht mehr möglich sind, brauchen Sie sich bei allem Sperrfeuer in den Medien derzeit nicht zu machen. Der am 20. Juni getätigte „Richtlinienbeschluss zur Konzernbesteuerung“ des EU-Rats hat laut ATTAC Österreich die meisten der „Steuertricks vollkommen außer Acht gelassen“. „Dazu zählen absurd hohe Lizenzgebühren, die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Tochterunternehmen und Betriebsstätten in den EU-Mitgliedsländern, die noch immer eine ausgezeichnete Basis zur aggressiven Steuervermeidung bieten.“ Weiter meint Alexandra Strickner von ATTAC in ihrer Aussendung: „Alle in der EU tätigen Unternehmen, die diese und ähnliche Steuerumgehungsmöglichkeiten nutzen, dürften nach der Entscheidung der Finanzminister in die Hände geklatscht haben.“ Klatschen Sie also in die Hände und haben Sie weiterhin Vertrauen in die Politik. Nachgefragt bei Lucas Zeise, warum Deutschland etwa nicht darauf dränge, die Steuerschlupflöcher abzuschaffen, antwortet er wahrheitsgemäß: „Weil Sie den deutschen Unternehmen genehm sind.“ Nachgefragt bei Gerhard Zahler-Treiber, welche Rolle Österreichs PolitikerInnen in der europäischen Diskussion einnehmen, kommt die erleichternde Antwort: „Auf einer Linie mit Luxemburg.“ Steuern Sie daher Ihr Geld in die sicheren Gewässer der europäischen Wirtschaft.
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