
My way or the highway
RUBRIKEN. Wer nicht spurt: Wien-Schwechat. So funktioniert das mit der Integration?
CLARTEXT: Clara Akinyosoye sagt es durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration.
Auch die unangenehmen MigrantInnen haben eine Daseinsberechtigung. Abdurrahman Karayazili hat Unruhe in meine Twitter-Timeline gebracht hat – zu einer Zeit, als ich ohnehin schon an der Kippe stand. To log in or to log out – das war hier die Frage: mein Social-Media-Leben auf Eis legen, einfach eintauschen gegen Seelenfrieden? Hauptsache der schwarz-weiß malenden Israel-Propaganda entkommen und der „Nur wir sind Opfer“-Pro-Gaza-Agitation. Dann kam Abdurrahman Karayazili, und alles wurde schlimmer. Er ist Präsident der Union Europäisch-Türkischer Demokraten in Österreich, kurz UETD. Jung, patzig, aufstrebend. Karayazili verließ vor laufender Kamera beleidigt eine ORF-Diskussion und setzte sich damit freiwillig Hohn und Spott aus – selbstverständlich nicht bei seiner Anhängerschaft. Auf seiner Facebook-Seite huldigte man ihm und verteufelte die Moderatorin. Auf Menschen wie sie warte die Hölle. Sie wurde bedroht, beschimpft, aufs Übelste beleidigt. All das schien Karayazili offenbar nicht zu stören, er selbst hatte nach dem Auftritt gepostet, ein von der israelischen Lobby gesteuerter Redakteur würde der Moderatorin ins Ohr flüstern. Kritik an seinen Aussagen und denen seiner AnhängerInnen wehrte Karayazili in spätpubertierender Aggro-Manier ab. Er gab sich damit in der von JournalistInnen dominierten Twitteria vollends der Lächerlichkeit preis. Und dann kam leider, was immer kommt, wenn MigrationshintergründlerInnen unangenehm werden. Sie werden fremdverortet, in die Heimat der Eltern und Urgroßeltern gewünscht. Man lässt sie wissen, dass sie woanders besser aufgehoben wären, weil sie, so wie sie sind, nicht passen, nicht zu Österreich gehören. „Geh doch nach Hause“ – das kommt nicht etwa nur von rechts, es kommt von links und aus der Mitte. Twitter-Guru Rudi Fussi twitterte Karayazili und seinen Sympathisanten sei das One-Way-Ticket nach Istanbul zu schenken. Efgani Dönmez hatte vergangenes Jahr vorgeschlagen, Pro-Erdogan-DemonstrantInnen in die Türkei zurückzuschicken. Demokratie in Reinform eben. Die Botschaft ist klar: My way or the highway. Wer nicht spurt: Wien-Schwechat. Menschen mit Migrationshintergrund gehören nur so lange dazu, wie sie erwünschtes Verhalten an den Tag legen. Und was erwünscht ist, entscheidet wer? Die FPÖ, Efgani Dönmez, die Twitteria, der Integrationsminister, die Mehrheitsgesellschaft? Tut leid, aber die Guten ins Töpfchen, die Bösen ins Kröpfchen geht bei der zweiten Generation nicht. Österreich hat schon bei der Elterngeneration ausgewählt, und jetzt sind die Probleme der zweiten Generation unsere Probleme. Es sind unsere AkademikerInnen und unsere SchulabrecherInnen, unsere KulturbereicherInnen und unsere RassistInnen, unsere DemokratieverfechterInnen und unsere Autokratiefans. Mühsam? Na klar. Aber so funktioniert das mit der Integration.
Clara Akinyosoye ist langjährige Chefredakteurin von M-Media.
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo