Medienschelte
RUBRIKEN. Unter dem Motto „Wir lesen Zeitung und schauen fern“ will der Medienwatch-Blog Kobuk.at zum kritischen Medienkonsum anregen. Eine Uni-Lehrveranstaltung der praktischen Art.
SPOTLIGHT | Text Sonia Melo
„Für Flüchtlinge Frau gekündigt“. Die Schlagzeile der Kronen Zeitung in Salzburg am 4. September sorgte für Aufregung. Auf der Facebook-Seite von FP-Chef Strache war die Empörung groß. Die Meldung brachte ihm 6.000 „Likes“ und knapp 2.000 Kommentare, die meisten LeserInnen hinterfragten die Meldung nicht.
Ob die Pensionistin in Salzburg tatsächlich wegen der Einquartierung von Flüchtlingen ihre Wohnung verlassen musste, wollte hingegen Hans Kirchmeyr wissen. Er ist ständiger Autor des Medienwatch-Blogs Kobuk, und fand in seiner Recherche, die “weder schwierig noch zeitaufwändig“ war, heraus, dass es sich um keine Kündigung des Mietvertrages, sondern um dessen Auslaufen handelte. Kirchmayr eruierte auch, dass die betreffende Wohnung eigentlich für anerkannte Flüchtlinge vorgesehen ist, die ihre Miete selbst bezahlen und berichtigte damit den Krone-Artikel, über „Asylwerber“, für die die Wohnbaugesellschaft “Asylgelder” kassieren würde. Kobuk-Autor Kirchmeyr kritisiert, dass der Krone-Redakteur die Wahrheit wusste und absichtlich mit dieser Titelstory „zündelte“. Das läuft so: „Oft sind die Berichte nicht falsch, sondern überbetont oder wichtige Informationen werden ausgeblendet.“ Es seien die üblichen Zuspitzungen im Boulevard, in denen eben nicht beide Seiten der Geschichte beleuchtet werden, weil sonst die erwünschte Spannung verloren sei.
„Kronische“ Berichterstattung
Das Online-Projekt Kobuk hat Helge Fahrnberger vor fünf Jahren ins Leben gerufen, damals als eine Lehrveranstaltung am Publizistikinstitut der Universität Wien. Es wirft einen zweiten Blick auf Medienberichte und legt dabei erstaunliche Fehlleistungen frei. Einer der ersten, die teilnahmen, war der Journalist Yilmaz Gülüm, der nun den Blog auch leitet. 18.000 Fans zählt man auf Facebook. Kobuk hat sich zum Ziel gesetzt, „Hygiene in der Medienlandschaft zu schaffen“, erklärt Gülüm und ergänzt: „Wir wollen nicht unsere Meinungen und unseren Willen durchsetzen. Wir wollen Menschen zum Nachdenken anregen, mit der Botschaft, das könnt ihr auch machen, wenn ihr wollt.“
Kobuk wird im Rahmen der Lehrveranstaltung ehrenamtlich betrieben, so auch von Hans Kirchmeyr, hauptberuflich im Bereich Grafik und 3D in Linz tätig. Mit über 100 Postings ist er der bislang aktivste Autor. Für ihn ist das aber immer noch zu wenig. „Das, was wir im Kobuk schreiben, ist nur die Spitze des Eisberges. Die Beobachtung aller deutschsprachigen Medien ist aus Ressourcenmangel aber leider nicht möglich.“ Auf Falschmeldungen stößt Kirchmeyr eher per Zufall. Kein Zufall ist hingegen, dass sich diese vor allem in Boulevardmedien finden. In der Krone geht es dabei oft um Asyl und Flucht, rassistische Untertöne sind dabei nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das belegen auch die Recherchen von René Rusch, der seine Diplomarbeit betitelte: Der „Ausländer“- Diskurs der Kronen Zeitung. Gibt es einen „kronischen“ Rassismus? Eines der Muster sei, dass bei Straftaten, bei denen die TäterInnen noch gar nicht bekannt sind, von „Ausländern“ berichtet wird.
Deshalb, meint auch Kobuk, müsse man Medien auf die Finger schauen. Fehler zu machen ist für Kirchmeyr nicht das größte Problem, sondern der Umgang damit: „Mit etwas mehr Selbsthygiene der Medien wäre Kobuk gar nicht notwendig.“ Solange sich das nicht ändert, passt Kobuk weiter auf. Teilnehmende Beobachtung ist willkommen, unter [email protected].
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