„Ausweiskontrolle“
Nachgefragt: Der Fall Huey T. | Text: Clara Akinyosoye
Immer wieder beklagen schwarze Menschen wie Huey T., dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe von der Polizei kontrolliert, durchsucht, mitunter schikaniert würden. Die Wiener Polizei kann sich diese Vorwürfe nicht erklären.
Es ist besser, nicht auf seine Rechte zu pochen – diese Lehre könnte Huey T. aus seiner jüngsten Begegnung mit der Polizei ziehen. Denn dass er seine Rechte einforderte, könnte den jungen Mann nun 99 Euro kosten: Huey T. ist ein großer junger schwarzer Mann, der eines Freitagabends ohne Geldbörse und Ausweis, bei der Station Josefstädterstraße aus der U6 steigt und in eine Polizeikontrolle gerät. Er hat die ständigen Kontrollen satt, und kommuniziert das auch. Er verweigert es, sich durchsuchen zu lassen ohne dass ihm ein Tatverdacht genannt wird, Huey T. (Name geändert) wirft den Polizisten Rassismus vor. Er wird verhaftet, durchsucht, beleidigt und wieder freigelassen, berichtet er später dem Vice-Magazin. Auf Nachfrage erzählt er nun, dass er gegen die Anzeige, die er trotzdem erhielt, weiter gerichtlich vorgehen will.
Oft entscheidet das Aussehen
„Ausweiskontrollen“ wie jene von Huey T. haben System, finden Menschenrechts- und Antirassismus-Organisationen. Sie nennen das Vorgehen der Polizei „Ethnic Profiling“, unterstellen, sie würde Menschen aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität verdächtigen. In der Wiener Polizei will man das nicht gelten lassen, selbst wenn man regelmäßig mit dem Vorwurf konfrontiert wird. „Sowas gibt es bei uns nicht“, sagt Johann Golob, Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. „Es hat keine Relevanz, woher jemand kommt oder welche Hautfarbe er hat.“ Dort wo „Straftaten gesetzt“ werden, werde die Polizei tätig – in Uniform und Zivil, mit Kontrollen und Observationen. In öffentlichen Verkehrsmitteln „passieren oft Straftaten“, deshalb werde dort kontrolliert und „Identitäten festgestellt“.
Dass bei solchen Kontrollen verstärkt schwarze Menschen ins Visier genommen würden, um Drogendealer ausfindig zu machen, verneint Golob. Auf die Frage warum gerade jene Menschen, die sichtbar nicht dem typischen Bild eines Österreichers/einer Österreicherin entsprechen, häufige Polizeikontrollen beklagen, gebe es keine pauschale Antwort, so Golob: „Jeder hat seine subjektiven Eindrücke.“
Doch nicht nur Betroffene, auch Zeugen würden von diskriminierenden Kontrollen der Polizei berichten, sagt Claudia Schäfer, Geschäftsführerin von ZARA, dem Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. So meldeten ZeugInnen etwa, dass sie beobachteten, dass „von rund 50 Leuten nur jene zwei kontrolliert wurden, die schwarz sind“, erzählt Schäfer. Das könne man nicht von der Hand weisen. Oftmals sei der Grund warum eine Person von der Polizei angesprochen werde „einzig und allein auf das Aussehen zurückzuführen“, so Schäfer. „Wir haben Fälle, die das ganz klar belegen.“
„Wir sind hier nicht in Afrika“
Etwa den Fall eines Österreichers senegalesischer Herkunft, der auf einer stark frequentierten Wiener Einkaufstraße nach einem Bankbesuch von einem Polizisten aufgefordert wurde sich auszuweisen. Nachdem der Mann danach gefragt habe, warum er kontrolliert werde, habe der Polizist: „Was willst du? Wir sind hier nicht in Afrika“ entgegnet – einer von zahlreichen dokumentierten Fällen im Rassismus-Bericht von ZARA. Der Betroffene sei höflich aber hartnäckig geblieben. Das Resultat: Zwei Monate nach der Begegnung mit der Polizei bekam der Mann eine Verwaltungsstrafe wegen aggressiven Verhaltens und Lärmerregung.
Täter-Opfer-Umkehr
Das sei eine „typische“ Täter-Opfer-Umkehr, die von Seiten der Polizei angewandt werde, so Schäfer. Menschen, die sich aufgrund einer auf Ethnic-Profiling basierenden Kontrolle aufregen und nach dem Grund fragen, würden verfolgt. „Man versucht sie mundtot zu stellen. Das haben wir oft. Es ist fürchterlich deprimierend für alle Betroffenen. Die Leute haben das Gefühl ohnmächtig zu sein und allein dazustehen.“ Doch das Recht ist auf deren Seite: So besagt Paragraph 30 des Sicherheitspolizeigesetzes: „Jede beamtshandelte Person ist auf Verlangen vom Zweck des Einschreitens zu informieren und kann zur Amtshandlung eine Person ihres Vertrauens hinzuziehen.“ Dies gilt nur dann nicht wenn „dadurch die Erfüllung der Aufgabe der einschreitenden BeamtInnen gefährdet wäre“. Eine Richtlinienverordnung des Innenministeriums weist PolizistInnen außerdem an, alles zu unterlassen, „das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der nationalen oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der sexuellen Orientierung empfunden werden kann.“
Bereits zehn mal kontrolliert
Dennoch ist der Spielraum der Polizei groß, denn sie hat das Recht Menschen bereits dann zu kontrollieren, wenn der „dringende Verdacht besteht“, dass an dem Ort, an dem sie sich aufhalten „mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen“ stattfinden. Sprich: Wer bei einer U-Bahnstation aussteigt, die PolizistInnen etwa als Hotspot für Drogengeschäfte bekannt ist, kann kontrolliert werden. Eine Bestimmung, die rechtlich nicht unumstritten ist und auf die sich die Polizei beruft, wenn sie Menschen ohne konkreten Verdacht kontrolliert.
Huey T. ist insgesamt mehr als zehn Mal von der Polizei kontrolliert worden. Er sei immer ruhig geblieben, habe sich nicht beschwert. Dann beschloss der schwarze Österreicher, den PolizistInnen seine Meinung zu sagen. Er wolle nur „von Mensch zu Mensch“ reden, habe er der Polizei auf die Aufforderung entgegnet, er solle nicht frech sein.
Die Polizei präsentierte ihm einige Wochen später die Rechnung: 99 Euro Strafe wegen aggressiven Verhaltens. Ein Euro war bereits als „Entschädigungszahlung“ abgezogen worden – ein Euro für eine halbe Stunde Freiheitsentzug. Huey T. legte Einspruch ein und erhielt ein Angebot. Weil er unbescholten ist, werde man die Strafe herabsetzen – auf 80 Euro. Eine Nettoersparnis von neun Euro, denn für die Bearbeitung des Falles habe man ihm zusätzlich zehn Euro in Rechnung gestellt, erzählt Huey T. Um Geld geht es ihm in erster Linie nicht, sondern um Gerechtigkeit. Er hat bereits 400 Euro Anwaltskosten bezahlt und plant einen erneuten Einspruch.
Huey T: „Ich will nicht 100 Euro dafür zahlen, dass ich meine Meinung gesagt habe. Wahrscheinlich wird’s nicht viel bringen. Aber ich will mich nicht beugen.“ Er werde im allerschlimmsten Fall vielleicht sogar ins Gefängnis gehen. Huey T. will auf sein Recht pochen, auch bei der nächsten Kontrolle.
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