Gemeindeaufschwung auf Kosten Anderer
SPOTLIGHT. Walter Hubner wollte seiner Gemeinde unter allen Umständen zum Aufschwung verhelfen und baute dabei auf die Not derer, die nun in Vordernberg auf ihre Abschiebung warten. | Text: Sonja Dries
Als Walter Hubner 2005 zum Bürgermeister von Vordernberg gewählt wurde, zählte die kleine Gemeinde 1.259 Einwohner. In den sechziger Jahren waren es noch fast doppelt so viele gewesen. Damals profitierte das Dorf im Bezirk Leoben wirtschaftlich vor allem vom gut 20 Kilometer entfernten Erzberg. Heute ist Vordernberg so wie viele seiner obersteirischen Nachbarn eine überalterte Gemeinde mit einer der prozentuell größten Abwanderungen im Land. Die Volksschule wird mit Ablauf des Schuljahres geschlossen, weil hier zu wenige Kinder wohnen. Als Hubner Bürgermeister wird, hofft er trotzdem auf eine gute Zukunft. Mit Ideen wie 500 Euro Begrüßungsgeld für jede neue BürgerIn versucht der SPÖ-Politiker die schrumpfende Gemeinde in Schwung zu bringen, in der die kommunalen Einnahmen mit jeder Abwanderung sinken. Als das Innenministerium vor sechs Jahren einen passenden Ort für ein neues Schubhaftzentrum sucht, wittert Walter Hubner seine Chance. 150 neue Arbeitsplätze, eine weit höhere Kommunalsteuer und eine Entlastung des Gemeindebudgets stehen in Aussicht. Die Vordernberger reißt der Bürgermeister mit seiner Begeisterung mit. Bei einer BürgerInnenbefragung votieren 401 von 574 gültigen Stimmen für den Bau. Die rein wirtschaftliche Motivation hinter Hubners Begeisterung für das Projekt zeigt auch die damalige Fragestellung:
„Sind Sie für eine positive Gemeindeentwicklung durch die mögliche Gründung von Gewerbebetrieben in Vordernberg, die Absicherung der örtlichen Infrastruktur (Nahversorger, Arzt, Apotheke usw.), eine Investition des Bundes von rund 15 Mio. Euro in Vordernberg, eine jährliche Wertschöpfung von rund 10 Mio. Euro, die Schaffung von rund 150 Arbeitsplätzen in Vordernberg und eine Mehreinnahme im Gemeindehaushalt von bis zu 130.000 Euro im Zusammenhang mit der Errichtung eines Schubhaftzentrums?“
Dass das Geld auf Kosten derer in die Gemeindekasse gespült wird, die im Zentrum eingesperrt auf ihre Abschiebung warten, wird in der Gemeinde nicht diskutiert. Zynisch mutet dabei an: Die InsassInnen werden im Finanzausgleich als BewohnerInnen der Gemeinde geführt und entlasten somit den Haushalt. Der Betrieb des Schubhaftzentrums selbst wird unter undurchsichtigen Umständen an eine private Sicherheitsfirma vergeben, die Volksanwaltschaft prüft derzeit die Verträge. In der Ausschreibung für die Dienstleistung fordert die Gemeinde keinerlei einschlägige Ausbildung für den Umgang mit den Schubhäftlingen. Ein Vorschlagsrecht für die MitarbeiterInnen sichert sich Hubner aber sehr wohl. 450.000 Euro überweisen BMI und Polizei jetzt pauschal und monatlich an die Sicherheitsfirma G4S, bei der nun auch einige Vordernberger beschäftigt sind. Doch die Sache hat noch einen „Haken“. Die Anerkennungsquote bei Asylverfahren ist derzeit mit 40 Prozent sehr hoch, das bereitet Walter Hubner eher Sorge: „Wir haben jetzt eine Situation, wo immer wieder kolportiert wird, wir haben Flüchtlingsströme wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Darum ist es für mich nicht ganz nachvollziehbar, dass wir zurzeit im Bundesgebiet so wenige Schubhäftlinge haben wie schon lange nicht mehr,“ sagt der Bürgermeister und spricht von Einbußen für seine Gemeinde. Derzeit bewohnen nur drei InsassInnen das Zentrum. Eine Broschüre des Innenministeriums versichert den BürgerInnen von Vordernberg, dass sie keinesfalls mit den Schubhäftlingen in Kontakt treten müssen, da diese, von der Polizei streng bewacht, das Zentrum unter keinen Umständen verlassen dürfen. Hört man sich Hubner an, wünschte man es wäre anders, damit Gemeinde und Bürgermeister erkennen, auf welch hohem Niveau sie jammern.
PS.: Ein Gespräch über die Situation lehnte Walter Hubner übrigens mit Verweis auf das BMI ab.
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