Masterplan mit Tücken
Oberösterreich hat seit Kurzem eine schwarz-blaue Regierung. In Sachen Integration soll nun einiges anders werden. MO hat nachgefragt. Text: Sonja Dries, Foto: Denise Stinglmayr, Land OÖ
Obwohl die Themen Asyl, Flüchtlinge und Integration das wichtigste Steckenpferd der Freiheitlichen sind, übernahm nach den Wahlen in Oberösterreich der grüne Landesrat Rudi Anschober das Ressort Integration. „Anfangs war ich sehr skeptisch, in diesem Bereich als Gegenpol zu Schwarz-Blau auftreten zu müssen, doch jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe“,sagt Anschober, der selbst von der Zuteilung überrascht war. Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner erklärt die Entscheidung damit, dass die Integration zwar ein sehr prägendes und wichtiges Thema sei, aber eben nicht das einzige. Die FPÖ könne nun zeigen, dass sie auch in anderen Bereichen kompetente Arbeit leiste. Selbstverständlich wollen aber die Freiheitlichen beim Thema mitmischen. Im Gespräch mit MO spricht sich Haimbuchner für die Einführung einer Integrationsvereinbarung nach Vorarlberger Vorbild aus. Sie muss von Flüchtlingen unterschrieben werden, beinhaltet Grundregeln des Zusammenlebens, legt Leistungen fest, die erbracht werden müssen. Wer das nicht erfüllt, dem droht eine Kürzung der Mindestsicherung. Als wichtigen Erfolg für Integration verbucht Haimbuchner, dass die „Schulsprache Deutsch“ verpflichtend eingeführt wurde. In Kürze gilt auf allen Schulhöfen des Landes, dass Kinder nur noch Deutsch miteinander sprechen dürfen. Der Grüne Anschober hält diese Deutschpflicht vorsichtig formuliert „nicht für wahnsinnig klug“. Und vorsichtig ausdrücken muss er sich heute noch öfter. Die Quartiersuche für Flüchtlinge war in den ersten Wochen Anschobers Hauptbeschäftigung. Man schuf 490 Quartiere mit rund 40 bis 50 Plätzen und verteilte die Menschen auf das ganze Land. Eine Chance, auch für Abwanderungsgemeinden, wie der grüne Landesrat betont: „Wenn Asylberechtigte sich gut integrieren und dort ansiedeln, anstatt in große Städte abzuwandern, könnte man hier wieder einen Bevölkerungszuwachs verzeichnen.“
Integration durch Druck
Anschober will einen Masterplan für Integration implementieren, der auf fünf Säulen ruht: Sprache lernen, Orientierung schaffen, Bildung, Arbeitsmarkt öffnen und Wohnen. Letzteres dürfte der schwierigste Teil sein. Zwei Maßnahmen, die Schwarz-Blau geplant hat, sind dafür ziemlich kontraproduktiv: einerseits die Kürzung der Mindestsicherung auf 340 Euro pro Monat, die derzeit gerade im Unterausschuss diskutiert wird, andererseits die geplante Novellierung des Wohnraumförderungsgesetzes, die in den nächsten Wochen in Begutachtung gehen soll. Die Neuregelung sieht vor, dass Menschen erst dann Zugang zu geförderten Wohnungen bekommen, wenn sie bereits mindestens fünf Jahre legal in Österreich gelebt haben. Asylberechtigte, so Anschober, schließt das praktisch aus. Er sieht beide Maßnahmen als unvereinbar mit den Bemühungen um Integration an und hält sie in ihrer Kombination sogar für gefährlich. Anschober fürchtet eine „Ghettobildung in billigsten Quartieren“, wenn Menschen mit positivem Asylbescheid einerseits zu wenig Geld haben und andererseits keinen Zugang zu geförderten Wohnungen. FP-Chef Haimbuchner hat einen anderen Fokus. Er zeigt sich über das Sozialsystem der heimischen Bevölkerung besorgt, das entlastet werden müsse. Stetige Zuwanderung und die wachsende Zahl von Mindestsicherungsbeziehern machten diese Sparmaßnahmen nötig, so der FP-Chef. Flüchtlinge sollten möglichst bald sehen, dass sie einer geregelten Arbeit nachgehen und sich selbst erhalten.
Anschober merkt an, dass rund 700 teils seit Jahren leerstehende Wohnungen rasch für Flüchtlinge adaptiert werden könnten. Haimbuchner sieht das anders und betont, dass die Wohnungen vor der Neuvergabe erst saniert werden müssten: „In Oberösterreich warten rund 39.700 Österreicher teils schon jahrelang auf eine geförderte Wohnung. Dafür wird ihnen neben Steuern auch der Wohnbauförderungsbetrag vom Lohn abgezogen. Es gleicht einer Verhöhnung dieser Menschen, wenn jetzt Landesrat Anschobers Wunschvorstellungen schlagend würden und sie sich wieder am Ende der Schlange anstellen müssten“, sagt er. Auch beim Deutschlernen herrscht Uneinigkeit. Während der grüne Landesrat geförderte Deutschlehrgänge für Flüchtlinge ab dem Tag ihrer Ankunft in Oberösterreich einführen will, um die Wartezeit sinnvoll zu nutzen, hält Haimbuchner das für den falschen Ansatz. Das Geld sollte in die Zukunft des Landes investiert werden und nicht in Menschen, die nach negativem Ausgang ihres Asylverfahrens wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen. Hat Integration unter diesen Vorzeichen eine Chance? „Auf parteipolitischer Ebene wird sich das vor allem bei den zwei großen Themen Mindestsicherung und Wohnförderung zeigen“, sagt Anschober. Seine Befürchtung, dass eine schwarz-blaue Regierungskoalition die Arbeit in dem Bereich erschwere, weil die Ziele in eine ganz andere Richtung gehen, scheint sich zu bewahrheiten.
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