Das ist Kampf-Rhetorik
Die Rhetorik von Populisten ist niemals auf Dialog ausgerichtet. Es geht um einen persönlichen Kampf gegen „das System“, „das Establishment“ im Auftrag „des Volkes“. Das gilt auch für den Anwärter auf das Amt des Bundespräsidenten. Was Norbert Hofer macht, könnte man Kampf-Rhetorik nennen. Er hat früher Seminare abgehalten. Kommentar: Walter O. Ötsch
Die Auserwählten
Donald Trump, Norbert Hofer, Heinz-Christian Strache, Nigel Farage und Boris Johnson in England und führende Personen in der „Alternative für Deutschland“ weisen trotz ihrer vielen Unterschiede eine Gemeinsamkeit auf. Sie vermitteln eine soziale Welt, die in zwei unterschiedliche Gruppen zerfällt. Auf der einen Seite stehen „die Guten“, auf der anderen „die Bösen“ – wie in einem Kasperltheater. Dazwischen gibt es nichts, keine Zwischentöne, keine Mischformen, nichts Mehrdeutiges. Die Guten: das sind „Wir“, „das Volk“, „unsere Kultur“, „die Inländer“, „die Christen“, „das Abendland“, usw. Die Bösen: das sind „die Anderen“, „die Flüchtlinge“, „der Islam“, „die Moslems“, „die Terroristen“, „die EU“, usw. Ein solches Bild ist der Kern der rechtspopulistischen Propaganda. Wenn man an dieses Bild glaubt, dann lebt man in einer Angst- und Bedrohungs-Welt. Denn zwischen diesen Gruppen tobt ein tödlicher Kampf. „Wir“ sind von „denen“ bedroht. „Wir“ haben Angst vor „denen“ und „wir“ müssen „uns“ jetzt endlich gegen „die“ wehren. Wer so denkt, dem fällt es leicht, alle Probleme „denen“ in die Schuhe zu schieben. Für jedes Problem findet sich ein Sündenbock. Komplizierteste Fragen bekommen eine einfache Antwort. Rechtspopulistische PolitikerInnen geben sich als auserwählt. Nur sie könnten die grundlegenden Konflikte der Gesellschaft erkennen. „Ich muss dem Volk gehorchen“, meint Heinz-Christian Strache, in Abgrenzung zu den „anderen“ Politikern. Und: „Wir müssen endlich aufräumen“. Wer sich dagegen stellt, ist demnach ein „Volksverräter“ oder ein „Staatsfeind“. Er gehört ja „dem Volk“ nicht an. Der springende Punkt in diesem Denken ist jedoch nicht die Gegenüberstellung in zwei Gruppen. Das machen wir andauernd: Wir Alten und die Jungen, wir Männer und die Frauen, wir Linzer und die Wiener, usw. Der springende Punkt ist die Ausschließlichkeit, – nur das macht die Demagogie aus: als ob es keine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Teilen der Bevölkerung geben würde. In dieser Weise sind die Gruppen reine Erfindungen: Es gibt kein „Volk“, nicht „unsere Kultur“: Was sollte das sein?
Falsch zitiert
In einem demokratischen Diskurs beginnen wir nicht bei unüberbrückbaren Differenzen zwischen Gruppen – das fördert „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ –, sondern bei gleichen Regeln für alle, z.B. Menschrechte, die ausnahmslos für alle gelten. Auf den Punkt gebracht: Hofer hat im Wahlkampf plakatiert „Das Recht geht vom Volk aus“, „Recht“ und „Volk“ in Großbuchstaben gesetzt. Aber das entspricht nicht der österreichischen Verfassung. Hier steht in Artikel 1: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Diese Sätze sind sehr präzise: Zuerst wird die Institution genannt und erst dann kommt das Volk und sein Recht, – und zwar im Rahmen dieses Regelwerkes, das für alle gilt. Rechtspopulisten haben nur Erfolg, wenn die anderen Parteien eine wenig ansprechende Politik machen und wenn die Umstände gut sind. Strache ist weniger talentiert als Jörg Haider, aber er hat mehr Erfolg, weil die wirtschaftlichen und sozialen Umstände für ihn spielen. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 haben wir kaum Wachstum, zunehmende Ungleichheit und einen Teil der Bevölkerung, dem es spürbar schlechter geht. Die EU taumelt von einer Krise zur anderen und den Banken wird mit riesigen Summen geholfen, die niemand nachvollziehen kann. Wenn Probleme nicht offen angesprochen werden, z.B. die Krisen, prekäre Arbeiten nicht thematisiert werden, dann fühlt sich ein Teil der Bevölkerung von der Politik nicht mehr vertreten. Rechtspopulisten sind gut darin, diesen Teil anzusprechen. Sie knüpfen an ein dumpfes Unbehagen an und übersetzen alles in ihr Bild einer geteilten Welt. Die Mehrheit in Großbritannien war nicht gegen die EU, sondern brachte ihre Enttäuschung über eine Politik, die unteren Schichten nicht hilft, zum Ausdruck – das kann man nach politökonomischen Kriterien im Detail zeigen.
Hofers Rhetorik – macht er NLP?
Norbert Hofer ist ein ausgebildeter Kommunikationstrainer, der in kleinsten Details und ungemein kontrolliert agieren kann. Er kommentiert z.B. die Körpersprache des Gegenüber (das macht Alexander Van der Bellen, der andere Bundespräsidentschaftskandidat nicht), er lacht, wenn er angegriffen wird (das ist antrainiert), er erzählt berührend seine Unfallgeschichte (das macht ihn sympathisch), er beantwortet Vorwürfe niemals inhaltlich (das würde den Gegner aufwerten), sondern schaltet innerhalb von Sekunden auf Gegenangriff um. So kommt er schnell in sein Kampf-Bild und braucht nicht über konstruktive Alternativen zu reden. Hofer wirkt gemäßigter als Strache, inhaltlich macht er aber keine Abstriche. Wenn man genau hinhorcht, kann man das Bild der gespaltenen Welt der FPÖ deutlich erkennen. Hofers Performance im Fernsehen ist sehr wirkungsvoll. Er wirkt ruhig und sympathisch. In den Medien wird das oft mit NLP (Neurolinguistisches Programmieren) in Verbindung gebracht. Diese Aussage ist falsch bzw. verkürzt. NLP ist eine Sammlung vieler widersprüchlicher Methoden, die ab den siebziger Jahren in den USA als Kurzzeittherapie entwickelt wurden. Es ging um Verfahren, die schnell wirken, z.B. wie man mit suggestiver Sprache Stimmungen beeinflussen kann, wie man schnell umdeuten kann oder wie man Körpersprache einsetzen kann. All das sind Dinge, die andere auch machen, oft intuitiv und ohne Training. Jeder, der Karriere macht, hat gelernt, auf irgendeine Weise effizient zu kommunizieren. Wer aber Kommunikationsmuster kennt und jahrelang geübt hat wie Hofer, kann das bewusster und gezielter einsetzen. Der Punkt bei Hofer ist nicht NLP, sondern dass er sein Wissen als Kommunikationstrainer für seine Denkweisen einsetzt. Es geht niemals um einen Dialog, sondern um einen persönlichen Kampf gegen „das System“, „das Establishment“ im Auftrag „des Volkes“. Was er macht, könnte man Kampf-Rhetorik nennen. Hofer hat auch dazu früher Seminare abgehalten.
Gezielt Schwächen erkennen
In NLP lernt man Techniken und Verhaltensweisen, die für Therapie und Heilung entwickelt wurden, aber für Kampf-Rhetorik gut einsetzbar sind. Man lernt z.B. genau hinzusehen und bewusst kleine Details wahrzunehmen, z.B. kurze Flashes mit den Augen. Diese transportieren wichtige Informationen, die dem Sender in der Regel nicht bewusst sind. Ein Therapeut „sieht“ hier innere Prozesse beim Klienten (und kann sie gezielt ansprechen). Ein Kampf- Rhetoriker „sieht“ hier Schwächen beim Gegenüber und kann das ansprechen, um diese Person zu irritieren. Hofer z.B. hat ein hohes Maß an Bewusstheit, was seine eigene und die Körper-Sprache des „Gegners“ angeht und setzt das zielgerecht ein, – oft zum Vorteil für ihn. Hofer ist sehr geschickt, einen normalen Dialog zu zerstören, z.B. ganz bewusst etwas anderes zu „hören“, als gesagt und gemeint wurde und dann auf natürlich wirkende Weise empört zu tun. Bei all dem kann er souverän wirken, auch z.B. dadurch, dass er mimisch fast keine Regung zeigt. Van der Bellen hingegen ist eine sehr souverän wirkende Person und hat den Habitus eines erfolgreichen und etablierten Mannes in Wissenschaft und Politik. Für manche wirkt er auch zu ruhig. Van der Bellen will sachlich und inhaltlich argumentieren. Dies gelingt ihm oft. In dem nicht moderierten „TV-Duell“ im Mai war das weniger der Fall. Van der Bellen kann oft gut Konter geben und eigene Anliegen transportieren, aber Hofer kann mit seiner Rhetorik bei Vielen punkten, die nicht auf Inhalte sondern auf „Sieg“ oder „Niederlage“ aus sind. Manche Medien verstärken diese Haltung, als ob die Qualifikation für das Amt des Bundespräsidenten eine erfolgreiche Kampf-Rhetorik wäre.
Und die Abhilfe?
Die Abhilfe zu der rechtspopulistischen Welle liegt nicht auf der Ebene der Rhetorik und von Inszenierungen im Fernsehen, sondern auf der der Politik. Rechtspopulisten haben nur dann Auftrieb, wenn andere Parteien etwas falsch machen. Insbesondere die Enttäuschung „von unten“, die sich lange Jahre aufgebaut hat, scheinen viele nicht wirklich zu verstehen. Es fehlt der Blick, wie die Gesellschaft „von unten“ aussieht. Kritische Sozialwissenschaftler haben diesen Unmut kommen sehen und Warnungen ausgesprochen, – auf sie wurde aber nicht gehört. Seit gut einem Jahr hat sich diese Stimmung in Europa und in den USA medial Bahn gebrochen. Erste Abhilfe kann ein klarer Blick auf die gespaltene Welt der Rechtspopulisten sein, die keine Lösung bringen kann. Man sollte auch nicht auf deren Attacken groß eingehen, sondern ruhig bleiben, die Probleme im Hintergrund ansprechen, die manchmal berechtigt sind und von Rechtspopulisten konstruktive Vorschläge einmahnen, z.B. für Probleme am Arbeitsmarkt, für Klimafragen (in der FPÖ gibt es Klimaleugner), für die Zukunft des Sozialstaates (die FPÖ will ihn abbauen und damit ihrem Klientel Schaden zufügen). Es sollte auch unbestritten sein, dass man viele Probleme nur auf der Ebene der EU angehen kann. Ein Rückzug auf das nationalistische „Volk“ würde die Situation nur verschlechtern.
Walter O. Ötsch ist Professor für Ökonomie und Kulturgeschichte an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues, zuvor an der Johannes- Kepler-Universität in Linz. Er ist Vorstand des Vereins SOS Menschenrechte.
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