Der Ausrutscher
SPOTLIGHT. Eines muss man Martin Glier, Norbert Hofers Pressesprecher, lassen: Er ist ein engagierter Funktionär, der seine Arbeit aus Überzeugung macht. Text: Muhamed Beganovic
Glier, eifrig auf Twitter präsent, verfolgt das politische Geschehen penibel und verpasst keine Gelegenheit, Stimmung zu machen. Man könnte den Pressesprecher als Provokateur abtun, weil seine Aussagen zuweilen recht unbeholfen wirken. Anfang 2016 machte er sich auf Twitter über das Alter der Bundespräsidentschaftskandidaten lustig. Zu sehen waren sechs Kandidaten mit Rollator und vor ihnen, in Führung, ein schlanker und fitter Norbert Hofer. Für Glier ist es Satire, da von all den Kandidaten nur Hofer eine Gehbehinderung hat. Es geht aber noch plumper. Als sich der ORF „Im Zentrum“ 2014 mit Ausschreitungen rund um den Akademikerball beschäftigte, war auch Natascha Strobl, Mitveranstalterin einer der Demos, eingeladen. Glier twitterte: „Diese Frau Strobl ist ja ein unglaublicher Trampel. Was fällt dem ORF ein, solche Kreaturen einzuladen?“ Das hatte ein rechtliches Nachspiel, weil Strobl klagte – und Recht bekam. Das kostete Glier eine Entschuldigung, eine Ehrenerklärung und 1.000 Euro. Doch schon wenige Minuten nach dem Tweet seiner Ehrenerklärung schrieb er nochmals auf Twitter. „Erstaunlich welcher Hass einem da von linker Seite entgegenschlägt. Wenn ich das alles einklagen würde, hätte mein Anwalt viel zu tun“. Einer gängigen Kommunikationsstrategie der FPÖ folgend, hatte sich der Funktionär in die Rolle des eigentlichen Opfers begeben.
Herr im Haus
Wer das Recht hat, in Österreich zu sein und wer gleichberechtigt die Stimme erheben darf, davon hat Glier feste Vorstellungen. Er teilt sie problemlos mit der Öffentlichkeit. Menschen, die Geflüchteten helfen, gehören nicht unbedingt dazu. Glier hat sie als „Invasions-Kollaborateure“ bezeichnet. Es gibt mehrere solche Beispiele. Im Oktober 2013, als eine öffentliche Debatte über die Benennung der Nachspeise „Mohr im Hemd“ geführt wurde, ließ er dem Journalisten Simon Inou ausrichten: „Wenn es Ihnen nicht passt, wie wir unsere Süßspeisen nennen, steht es Ihnen frei, in Ihre Heimat zurückzukehren“. Glier ist der Herr im Haus, wenn er nachsetzt: „In meinem Land erklärt mir niemand, wie ich Süßspeisen nennen muss.“ Wäre er keine Person des öffentlichen Lebens, man könnte seine Sager als skurril anmutende Äußerungen einer abgeschotteten Welt verstehen. Glier ist aber Leiter der Pressestelle der FPÖ. Das macht seine Aussagen brisant. Sie repräsentieren eine Partei, die in Österreich den Machtanspruch stellt. Immer wieder zeigt der Pressesprecher, dass seine Ausrutscher doch keine sind. Über die Grüne Nationalratsabgeordnete Alev Korun, die sich süffisant über eine Begegnung zwischen Norbert Hofer und der Vorsitzenden des Front National, Marine Le Pen, geäußert hatte, twitterte er im September 2016, dass es ihn „nicht wundert“, dass sie „mit mitteleuropäischen Umgangsformen nichts anfangen kann“. Auf die Kritik an seiner Aussage, die auf die türkische Herkunft von Korun abzielte, bediente er sich einer höchst eigentümlichen Begrifflichkeit: „Nur zur Info: Gute Umgangsformen haben nichts mit „Rasse“ zu tun, sondern mit Kinderstube.“ Besonders problematisch: dass der eifrige Twitterer der Öffentlichkeitsarbeiter des höchsten Repräsentanten der Republik sein könnte.
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