How low can you go?
ANDERE ÜBER... Der Integrationsminister fordert 1-Euro-Jobs für Asylberechtigte. Wo bleiben die Maßnahmen für Bildung und Arbeitsmarktintegration? Kommentar: Andrea Eraslan-Weninger, Willi Resetarits
Die bereits durchgeführten und geplanten Kürzungen der Mindestsicherung für Flüchtlinge in Ober- und Niederösterreich müssen unbedingt rechtlich bekämpft und zurückgenommen werden, da sie rechtswidrig und zutiefst unmenschlich sind und die Schaffung von Armut als Programm haben. Am Beispiel der aktuellen Mindestsicherungsdebatte und der Forderung nach 1-Euro-Jobs von Sebastian Kurz wird klar ersichtlich, dass unser Sozialstaat in Gefahr ist. Die angedachten Kürzungen und Sanktionen bei der Mindestsicherung, sowie die unappetitliche Diskussion über 1-Euro-Jobs und 2,50-Euro-Jobs sind ein Angriff auf die sozialen Leistungen in Österreich und auf die ArbeitnehmerInnenrechte. Kurz forderte bereits im August 2016 verpflichtende 1-Euro-Jobs für Asylberechtigte, u.a. mit der Begründung, wer den ganzen Tag zu Hause und im Park herumsitzt, der hätte auch Tagesfreizeit, um auf blöde Gedanken zu kommen. Was er nicht dazu sagte, dass er als Integrationsminister keine bzw. viel zu wenige Möglichkeiten für Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarktintegration geschaffen hat. Er macht, so eine beliebte politische Taktik, Flüchtlinge zu Sündenböcken, obwohl er selbst für die fehlenden Möglichkeiten als Integrationsminister die politische Verantwortung trägt. Kurz hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Darüberhinaus würde diese Maßnahme alle BezieherInnen von Mindestsicherung gefährden. Wir im Integrationshaus fordern seit 20 Jahren Betreuung, Beratung und Bildung für Asylsuchende vom ersten Tag an und einen Arbeitsmarktzugang nach längstens 6 Monaten. Dass Asylsuchende de facto nicht arbeiten dürfen, liegt auch ganz besonders am Widerstand von Teilen der ÖVP, insbesondere aber an Innenminister Sobotka, der auf eine ebenso menschenverachtende Art und Weise maximal 2,50-Euro-Jobs für Menschen in der Grundversorgung fordert, mit der Behauptung, dass 5 Euro für gemeinnützige Tätigkeiten ein Anreiz für Wirtschaftsflüchtlinge sei. Dies ist an Geschmacklosigkeit kaum noch zu überbieten. An dieser Diskussion wird deutlich, wie wichtig es ist, sich für die Erhaltung und Verbesserung des Sozialstaates einzusetzen. Dafür braucht es eine breite Solidarität, eine verantwortungsvolle Politik und laute Stimmen aus der Zivilbevölkerung. Soziale Rechte sollen ausgebaut und nicht geschmälert werden. Es ist eine Tatsache, dass sich der Arbeitsmarkt zunehmend prekarisiert und immer mehr Menschen trotz Arbeit auf die Mindestsicherung angewiesen sind. Hier braucht es Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzung, bessere Löhne und eine Verbesserung bei den Arbeitsmark-Integrationsprogrammen und den sozialen Leistungen und eine gute Kooperation mit der Wirtschaft. Eine Politik, die für Partizipation und Chancengerechtigkeit steht, verlangt nach einer transkulturellen Öffnung der Institutionen und nach innovativen Programmen, die einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, zum Arbeits- und Wohnungsmarkt und zu sozialen Rechten ermöglichen. Eine Politik, die Sanktionen beim Nichtbesuch von Sprach- und Wertekursen vorsieht, real aber viel zu wenige Mittel für Spracherwerbsmaßnahmen anbietet, diffamiert Flüchtlinge und ist als schikanös zu beurteilen. Wir brauchen aber keine Hetzer und Brandstifter, wir brauchen eine Politik, die sich für eine gute Zukunft für alle einsetzt! Wir brauchen Mut für neue Wege und Visionen und Verteilungsgerechtigkeit. Es braucht eine Veränderung und Weiterentwicklung der Institutionen und der gesamten Gesellschaft um adäquat und zukunftsorientiert ein gutes Zusammenleben für alle zu gestalten.
ZU DEN PERSONEN: Andrea Eraslan-Weninger ist Geschäftsführerin des Integrationshauses. Willi Resetarits, auch bekannt als Dr. Kurt Ostbahn, ist Gründer und Ehrenvorsitzender des Integrationshauses in Wien Leopoldstadt. Das Integrationshaus besteht seit 1995. Am Tag vor dem Lichtermeer 1993 hatten sich Resetarits und Sepp Stranig mit dem damaligen Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Hans Mayr getroffen, um ihm das „Projekt Integrationshaus“ vorzuschlagen. Dieser sprach die legendären Worte: „Des moch ma!“ Seit über 20 Jahren bietet es für Flüchtlinge und MigrantInnen Beratung, Versorgung, Bildungs- und Ausbildungsprojekte und andere Services an.
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