„Dann wird es problematisch“
Asdin El-Habbassi, Nationalratsabgeordneter der ÖVP, über Rechtspopulismus, Islam und österreichische Identität sowie die Transparenz in Moscheen. | Interview: Nermin Ismail
Herr El-Habbassi, werden Sie manchmal von Kollegen auf Ihren Namen angesprochen?
Ja, mein Name ist immer wieder ein interessanter Anknüpfungspunkt für Gespräche, aber nie im negativen Sinne. Das einzige Beispiel ist medial bekannt. Ursula Stenzel hat 2013 meine Kandidatur kritisiert. Ansonsten erlebe ich die Gespräche als Bereicherung und nicht als Nachteil.
Sie sagten in Interviews rund um Ihre Kandidatur, dass Ihre Partei hinter Ihnen steht und dass Ihr Glaube nie Thema war. Wie ist das in Zeiten, in denen IS und Dschihadismus die Schlagzeilen dominieren?
Die Vorkommnisse der letzten Monate haben dazu geführt, dass der Glaube an sich immer öfter Thema ist. Weniger in der Partei, aber außerhalb, leider auch in Form von Unverständnis oder negativen Sichtweisen. Ich glaube aber, dass gerade diese Diskussionen zeigen, wie wichtig Werte wie Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind und dass zu diesen Freiheiten auch die Glaubensfreiheit gehört. Diese Werte sollten nicht verletzt werden. Es ist ganz wichtig, dass diese Freiheiten alle denselben Stellenwert haben und wir sie nicht gegeneinander ausspielen. Das fände ich schade. Wir haben in Österreich vor Kurzem noch einen sehr positiven, fruchtbaren Dialog zwischen verschiedenen Religionen und Weltanschauungen geführt. Österreich ist ein Paradebeispiel für echte Glaubensfreiheit und vertritt trotzdem ein klares Bekenntnis zur Trennung von Staat und Religion. Die Stimmung im Moment macht mir aber mehr Sorgen, weil sie den Nährboden für Radikalismus schürt. Da müssen wir sehr achtsam sein.
Wir hören immer wieder von Übergriffen auf kopftuchtragende Frauen. Was sagen Sie dazu?
Das habe ich mit dem Nährboden für Radikalisierung gemeint: Sie richtet sich einerseits gegen Menschen mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Herkunft, andererseits auch gegen Grundwerte wie Meinungs-und Pressefreiheit. Das ist genau meine Sorge. Eine Gesellschaft, die auf Freiheit beruht, zeichnet sich dadurch aus, wie sie damit umgeht. Da ist es besonders wichtig, dass man Courage zeigt, egal in welche Richtung. In unserer Gesellschaft ist kein Platz für eine radikale, menschenfeindliche Gesinnung und das gilt für jede Richtung, links-oder rechtsradikal oder auch mit einem Glauben verbunden. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man hier keine Toleranz für Intoleranz hat. Und natürlich müssen wir uns auch Problemen, die es durch unterschiedliche gesellschaftliche Vorstellungen und Zuwanderung gibt, stellen. Das zu ignorieren wäre ein großer Fehler.
Was sind Ihrer Ansicht nach solche Probleme?
Es geht einerseits darum, Vorurteile abzubauen – da gibt es viele, gerade auch gegenüber dem Islam. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Probleme mit fehlenden Sprachkenntnissen oder „Integrationsunwilligkeit“, auch wenn ich den Begriff nicht mag. Oft haben wir es auch mit Ängsten zu tun, vor allem in der älteren Bevölkerung. Ich kann die Sorgen einer älteren Dame nachvollziehen, die vielleicht seit Jahrzehnten in ihrer Siedlung wohnt und plötzlich damit konfrontiert ist, dass sie ihre Nachbarn nicht versteht, weil die Umgangssprache vielleicht nicht mehr Deutsch ist. In Kombination mit Schauergeschichten, die oft durch die Medien geistern, ist das gefährlich. Darum ist es so wichtig, dass wir daran arbeiten, die deutsche Sprache zu stärken.
Was erwarten Sie von der muslimischen Community?
Ich halte es für wichtig, dass sie sich weiter für die Zivilgesellschaft öffnet. Es sollte möglich sein, sich ein Bild von Moscheen und den Vereinen zu machen. Es wird viel getan in diese Richtung. Würden aber Moscheen, die öffentlich zugänglich sind wie in Wien oder in Telfs, auch in anderen Städten existieren, dann wäre das viel transparenter. Oft sind es nur Gebetsräume, die in Gewerbegebieten oder Hinterhöfen liegen, wo die Bevölkerung den Eindruck hat, das ist eine abgeschlossene Gesellschaft. Notwendig finde ich auch, dass die Predigt auf Deutsch ist oder übersetzt wird. Dann ist es für jeden möglich, sich auch ein Bild davon zu machen, was die tatsächlichen Grundsätze des Glaubens sind, und es würde nicht so viel Raum für Vorurteile bleiben. Dass es einen Tag der offenen Moschee gibt, finde ich super – und Initiativen, die überkonfessionell stattfinden. Wir sollten unsere Gemeinsamkeiten und nicht immer das Trennende in den Vordergrund stellen.
Rechtspopulisten spielen die islamophobe Karte, es kommt auch zu Übergriffen auf Muslime. Wie sollte man darauf reagieren?
Ich glaube, was wir aus der Geschichte lernen sollten, ist, dass wir gegen Radikalisierungstendenzen möglichst früh auftreten müssen. Es darf nicht Mainstream sein, dass man auf religiöse Gruppierungen hinhaut oder mit simplen Verallgemeinerungen agiert. Übergriffe und radikale Aussagen dürfen nicht ignoriert werden. Ein Miteinander kann nur dann funktionieren, wenn man in der Gesellschaft Courage zeigt, gegen radikale Strömungen aufzutreten, und sie nicht zum Mainstream werden lässt. All jene, die in erster Linie besorgt sind, sollte man aber nicht verurteilen oder in ein rechtes Eck stellen. Wenn man sich die mediale Berichterstattung ansieht, kann man Sorgen nachvollziehen. Da müssen wir aufklären und dürfen die Menschen nicht abstempeln. Wenn aber Anfeindungen, Übergriffe oder Verhetzungen stattfinden, dann sind wir alle gefordert, in aller Vehemenz dagegen aufzutreten.
Niessl und Voves haben erneut eine Integrationsdebatte angestoßen. Sind Strafen für mangelnde Integration eine gute Idee?
Wenn es um Strafen für Eltern geht, die ihren Kindern die Teilnahme am Unterricht verweigern, halte ich das für sinnvoll. Wenn Kindern Bildung aus persönlichen Motivationen verweigert wird, dann nimmt man ihnen die Zukunftschancen, die Möglichkeit, die Sprache zu lernen, Teil der Gesellschaft zu sein. Auch wenn sich jemand weigert, Gesetze anzuerkennen. Das sind Dinge, da habe ich vollstes Verständnis für harte Strafen. Aber alles, was im Rahmen unseres Rechtsstaates und der persönlichen Freiheit stattfindet, darf man niemandem verwehren. Also wenn es nicht mehr möglich sein soll, seine Religion auszuüben, Traditionen zu pflegen, die einem persönlich wichtig sind, oder sich so zu kleiden, wie man möchte, dann wird es problematisch.
Die früheren ÖVP-Granden Neisser und Riegler sind für ein Kopftuchverbot an Schulen. Wie finden Sie das?
Absolut problematisch. Das ist der erste Schritt weg von der Religionsfreiheit. So wie das Kreuz in der Schule kein Problem ist, so sind auch das Kopftuch und die Kippa kein Problem. Das wäre ein großer Rückschritt in eine Richtung, die wir alle nicht wollen.
Wie würden Sie Integration definieren? Lässt sich Integration überhaupt messen?
Ich halte diese Diskussion für eine sehr vereinfachte, plakative, auch populistische. Ich würde Integration definieren als den Willen, an der Gesellschaft und am öffentlichen Leben teilzuhaben. Das sollte die Grundvoraussetzung sein. Dann ist es schön und förderlich, wenn es Vielfalt gibt und nicht nur Einheit.
Es gab viele Versäumnisse in der Integrationspolitik: Standen Muslime nicht lange am Rand der Gesellschaft – und jetzt fordert man plötzlich „Integrationsleistungen“?
Es hat Fehler in der Einwanderungspolitik gegeben. Man hat lange Zeit vernachlässigt, das einzufordern. Es wurde auch versäumt, den Spracherwerb zu unterstützen. Bei all den Fragen geht es aber nicht um Zuwanderung oder den Glaubenshintergrund, sondern um das Bildungsniveau.
Wo sehen Sie denn Integrationsdefizite?
Skeptisch bin ich, wenn sich Stadtteile in Richtung einer Parallelgesellschaft mit eigener Sprache und eigenem Rechtsverständnis entwickeln. Das ist zwar selten der Fall, aber manche Bereiche tendieren durchaus dorthin. Es ist wichtig, dass in den Wohnsiedlungen eine Mischung aus verschiedenen Bildungsschichten, aber auch Backgrounds existiert. Es sollte eben keine Ghettos wie in London oder anderen Städten geben, wo man von chinesischen und arabischen Vierteln spricht. Das muss auch in der Stadtplanung beachtet werden. Auch ein Umdenken in der muslimischen Community ist gefragt: weg von nationalen Verbänden, von der bosnischen, der türkischen, der arabischen Moschee zum Verständnis einer Wiener Moschee oder einer Grazer Moschee. Dort sollen sich Muslime treffen, um ihren Glauben auszuüben, egal mit welchem Background.
Das neue Islamgesetz wurde trotz einer Bürgerinitiative der muslimischen Zivilgesellschaft beschlossen. Sie haben sich dazu bislang nicht geäußert.
Ich bin unglücklich über den Verlauf der Diskussion. Das Gesetz an sich regelt, so glaube ich, wichtige Punkte und stellt sie auf eine rechtliche Basis. Ich gehe davon aus, dass man in einigen formellen Punkten wie bei der Finanzierungsfrage und der Organisation der Glaubensgemeinschaft kleine Adaptierungen vornimmt und eine gute Lösung findet.
Was ist für Sie ein Islam österreichischer Prägung? Ist das durch ein Gesetz zu erreichen?
Ich halte das für einen Begriff, der zeigen soll, dass Islam und österreichische Identität und auch ein österreichisch-europäisches Verständnis von Rechtsstaatlichkeit gut vereinbar sind. Man will damit einen Kontrapunkt setzen zu Sichtweisen, die meinen, Islam und Demokratie seien nicht vereinbar. Es geht darum, dass eine österreichische Identität und die Anerkennung von Rechtsstaatlichkeit mit dem Glauben kompatibel sind. Es soll keine Fremdverortung von Religion geben. Es ist selbstverständlich, dass man Moslem und Österreicher sein kann.
Zur Person
Asdin El-Habbassi, 1986 in Hallein geboren, studierte Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Salzburg. Seit 2013 ist er für die ÖVP Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat. El-Habbassi ist damit der erste Muslim, der für die ÖVP ein Parlaments-Mandat hält.
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